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Bibliothek:Stalin Werke, Band 1/Geleitwort der Redaktion: Unterschied zwischen den Versionen

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Aktuelle Version vom 27. April 2024, 15:08 Uhr


Geleitwort der Redaktion
TypusArtikel ohne Unterschrift
Quellehttps://web.archive.org/web/20050913033711/http://stalinwerke.de/band01/b01-005.html


In der Überzeugung, dass für die denkenden georgischen Leser die Herausgabe eines freien periodischen Organs eine dringliche Frage ist; in der Überzeugung, dass diese Frage heute gelöst werden muss und dass eine weitere Verzögerung nur der gemeinsamen Sache Abbruch tun würde; in der Überzeugung, dass jeder denkende Leser ein Organ dieser Art mit Befriedigung aufnehmen und ihm seinerseits jegliche Hilfe zuteil werden lassen wird, kommen wir, eine Gruppe georgischer revolutionärer Sozialdemokraten, diesem Bedürfnis entgegen in dem Bestreben, nach Maßgabe unserer Kräfte dem Wunsche der Leser Genüge zu leisten. Wir veröffentlichen die erste Nummer der ersten georgischen freien Zeitung "Brdsola"[1].

Damit der Leser eine bestimmte Meinung über unser Organ und insbesondere über uns habe, wollen wir einige Worte sagen.

Die sozialdemokratische Bewegung hat keinen einzigen Winkel des Landes unberührt gelassen. Ihr entging auch derjenige Winkel Russlands nicht, den wir Kaukasien nennen, und zugleich mit ganz Kaukasien entging ihr auch unser Georgien nicht. Die sozialdemokratische Bewegung in Georgien besteht noch nicht lange, sie ist erst ein paar Jahre alt, genauer gesprochen, wurden die Grundlagen dieser Bewegung erst im Jahre 1896 gelegt. Wie überall, so ist auch bei uns die Arbeit in der ersten Zeit nicht über den Rahmen der Konspiration hinausgegangen.

Agitation und großzügige Propaganda in der Gestalt, wie wir sie in letzter Zeit beobachten, waren unmöglich, und alle Kräfte waren notgedrungen in wenigen Zirkeln konzentriert. Jetzt ist diese Periode vorüber, die sozialdemokratischen Ideen haben unter den Arbeitermassen. Verbreitung gefunden, die Arbeit ist auch aus ihrem streng konspirativen Rahmen herausgetreten und hat einen bedeutenden Teil der Arbeiterschaft erfasst. Der offene Kampf hat begonnen. Der Kampf hat die ersten Parteiarbeiter vor viele Fragen gestellt, die bisher im Hintergrund standen und die auseinanderzusetzen kein großes Bedürfnis empfunden wurde. Vor allem trat mit aller Kraft die Frage hervor: Welche Mittel haben wir, um den Kampf breiter zu entfalten? In Worten ist die Antwort auf diese Frage sehr einfach und leicht. In der Tat ergibt sich etwas ganz anderes.

Es versteht sich von selbst, dass das Hauptmittel der organisierten sozialdemokratischen Bewegung die großzügige Propaganda und Agitation der revolutionären Ideen ist. Aber die Bedingungen, unter denen der Revolutionär zu wirken hat, sind so widerspruchsvoll, so schwer und fordern so große Opfer, dass Propaganda und Agitation in der Gestalt, wie sie in der ersten Zeit der Bewegung notwendig ist, häufig unmöglich werden.

Die Zirkeltätigkeit mit Hilfe von Büchern und Broschüren wird vor allem durch die Polizeiverhältnisse, dann aber auch durch innere Gründe unmöglich. Die Agitation lässt gleich bei den ersten Verhaftungen nach. Die Verbindung mit den Arbeitern und häufige Besuche hei ihnen werden unmöglich, während doch der Arbeiter viele brennende Tagesfragen erläutert haben will. Um ihn herum geht ein erbitterter Kampf vor sich, alle Kräfte der Regierung sind gegen ihn eingestellt, und er hat nicht die Möglichkeit, zur gegenwärtigen Situation kritisch Stellung zu nehmen, er ist nicht über das Wesen der Sache unterrichtet, und häufig genügt ein unbedeutender Misserfolg in irgendeiner benachbarten Fabrik, damit der revolutionär gesinnte Arbeiter abkühlt, den Glauben an die Zukunft verliert und der Leiter genötigt ist, ihn aufs neue in die Arbeit hineinzuziehen.

Die Agitation mit Hilfe von Broschüren, die nur diese oder jene konkreten Fragen beantworten, ist in den meisten Fällen wenig wirksam. Notwendig wird die Schaffung einer Literatur, die auf die Alltagsfragen Antwort gäbe. Wir unterlassen es, für diese jedermann bekannte Wahrheit Beweise anzuführen. In der georgischen Arbeiterbewegung ist bereits der Augenblick eingetreten, wo ein periodisches Organ zu einem der Hauptmittel der revolutionären Arbeit wird.

Zwecks Informierung unbewanderter Leser halten wir es für notwendig, einige Worte. über die legale Zeitung zu sagen. Wir würden es für einen großen Fehler halten, wenn irgendein Arbeiter eine legale Zeitung, unter welchen Verhältnissen sie auch erscheinen, welche Richtung sie auch vertreten möge, als Vertreterin seiner Interessen, der Interessen des Arbeiters, betrachten wollte. Die für die Arbeiter "sorgende" Regierung hat, was die legalen Zeitungen anbelangt, die Sache wunderbar eingerichtet. Eine ganze Meute von Bürokraten, Zensoren genannt, sind diesen Zeitungen übergeordnet, und sie verfolgen sie aufmerksam, arbeiten mit Schere und roter Tinte, wenn auch nur durch eine Ritze ein Strahl der Wahrheit durchbricht. In das Zensorenkomitee fliegt ein Rundschreiben nach dem anderen - "nichts über die Arbeiter durchlassen, nichts über dieses oder jenes Ereignis veröffentlichen, die Erörterung der und der Frage nicht gestatten" usw. usf. Unter solchen Verhältnissen kann eine Zeitung natürlich nicht so gestaltet werden, wie es sich gehört, und der Arbeiter würde in ihr vergeblich, und sei es auch nur zwischen den Zeilen, nach Informationen über seine Sache und ihrer richtigen Einschätzung suchen. Ist man der Meinung, der Arbeiter könnte sich der seltenen Zeilen in dieser oder jener legalen Zeitung bedienen, die seine Angelegenheiten nebenbei streifen und nur versehentlich von den Henkerzensoren durchgelassen worden sind, - so muss auch gesagt werden, dass es von einem Unverständnis für die Sache zeugen würde, wenn man auf solche Bruchstücke seine Hoffnungen setzen und auf diesen Kleinigkeiten irgendein System der Propaganda aufbauen wollte.

Wir wiederholen, dass wir dies nur zur Unterrichtung einiger unbewanderter Leser sagen.

Ein georgisches freies periodisches Organ ist also ein dringendes Bedürfnis für die sozialdemokratische Bewegung. Die Frage besteht jetzt nur darin, wie dieses Organ organisiert werden soll, wovon es sich leiten lassen soll und was es dem georgischen Sozialdemokraten bieten soll.

Bei äußerlicher Betrachtung kann es scheinen, dass die Frage der Existenz einer georgischen Zeitung im allgemeinen und die Frage ihres Inhalts und ihrer Richtung im besonderen sich von selbst, natürlich und einfach erledige: die georgische sozialdemokratische Bewegung ist keine abgesonderte, nur georgische Arbeiterbewegung mit einem eigenen Programm, sie marschiert Hand in Hand mit der Bewegung ganz Russlands und ordnet sich folglich der Sozialdemokratischen Partei Russlands unter - weshalb es klar ist, dass die georgische sozialdemokratische Zeitung nur ein örtliches Organ sein soll, das vorwiegend örtliche Fragen beleuchtet und die örtliche Bewegung widerspiegelt. Hinter dieser Antwort steckt jedoch eine Schwierigkeit, die wir nicht umgehen können und auf die wir unvermeidlich stoßen werden. Wir sprechen von der Schwierigkeit hinsichtlich der Sprache. Während das Zentralkomitee der Sozialdemokratischen Partei Russlands die Möglichkeit hat, mit Hilfe der Zeitung der Gesamtpartei alle allgemeinen Fragen auseinanderzusetzen, und ihren Gebietskomitees nur die Beleuchtung der lokalen Fragen überlässt, befindet sich die georgische Zeitung hinsichtlich des Inhalts in einer schwierigen Lage. Die georgische Zeitung muss ein Organ für die Gesamtpartei und gleichzeitig für die lokalen, die Gebietsfragen sein. da die meisten georgischen Arbeiterleser eine russische Zeitung nicht fließend lesen können, so haben die Leiter der georgischen Zeitung nicht das Recht, alle die Fragen, die die russische Zeitung der Gesamtpartei behandelt und behandeln muss, unbeleuchtet zu lassen. So ist die georgische Zeitung verpflichtet, den Leser mit allen prinzipiellen Fragen der Theorie und Taktik bekannt zu machen. Zugleich ist sie verpflichtet, an der Spitze der örtlichen Bewegung zu stehen und jedes Ereignis in gehöriger Weise zu beleuchten, ohne eine einzige Tatsache unerläutert zu lassen, und alle Fragen zu beantworten, die die Arbeiter des Gebietes bewegen. Die georgische Zeitung muss die georgischen und russischen kämpfenden Arbeiter verbinden und vereinigen. Die Zeitung muss ihren Lesern von allen sie interessierenden Erscheinungen des lokalen, russischen und ausländischen Lebens Mitteilung machen.

Das ist in großen Zügen unsere Ansicht über die georgische Zeitung.

Ein paar Worte über Inhalt und Richtung der Zeitung.

Wir müssen von ihr als von einer sozialdemokratischen Zeitung vorwiegende Aufmerksamkeit für die kämpfenden Arbeiter verlangen. Wir halten es für überflüssig, davon zu sprechen, dass in Russland und überhaupt allerorts nur das revolutionäre Proletariat von der Geschichte dazu berufen ist, die Menschheit zu befreien und der Welt das Glück zu bringen. Klar ist, dass nur die Arbeiterbewegung festen Boden unter den Füßen hat und dass nur sie von utopischen Fabeleien aller Art frei ist. Folglich muss die Zeitung als Organ der Sozialdemokraten die Arbeiterbewegung führen, ihr den Weg weisen und sie vor Fehlern bewahren. Mit einem Wort, die vornehmste Pflicht der Zeitung ist es, den Arbeitermassen so nahe wie möglich zu stehen, die Möglichkeit zu haben, sie ständig zu beeinflussen, ihr bewusstes und leitendes Zentrum zu sein.

Da aber in den heutigen Verhältnissen Russlands außer den Arbeitern auch andere Elemente der Gesellschaft als Kämpfer "für die Freiheit" auftreten können und da diese Freiheit das nächste Ziel der kämpfenden Arbeiter Russlands ist, hat die Zeitung die Pflicht, jeder revolutionären Bewegung Platz einzuräumen, auch wenn sie außerhalb der Arbeiterbewegung vor sich geht. Wir sagen "Platz einzuräumen" nicht nur als nebensächlichen Informationen oder als einer einfachen Chronik, nein, die Zeitung muss der revolutionären Bewegung, die sich unter den anderen Elementen der Gesellschaft abspielt oder abspielen wird, besondere Aufmerksamkeit widmen. Sie muss jede gesellschaftliche Erscheinung erläutern und damit jeden für die Freiheit Kämpfenden beeinflussen. Deshalb ist die Zeitung verpflichtet, der politischen Lage in Russland besondere Aufmerksamkeit zu widmen, alle Folgen dieser Lage zu berücksichtigen und die Frage der Notwendigkeit des politischen Kampfes so umfassend wie möglich aufzurollen.

Wir sind davon überzeugt, dass niemand unsere Worte als Beweis dafür ausnutzen kann, wir seien Anhänger einer Verbindung und von Kompromissen mit der Bourgeoisie. Die gebührende Einschätzung die Aufzeigung der schwachen Seiten und Fehler in der Bewegung gegen die bestehende Ordnung, auch wenn sie sich in der bürgerlichen Gesellschaft abspielt, kann einem Sozialdemokraten nicht das Brandmal des Opportunismus aufdrücken. Wir dürfen hier nur nicht die sozialdemokratischen Prinzipien und die revolutionären Kampfmethoden vergessen. Wenn wir jede Bewegung mit diesem Maßstab messen, so werden wir von allen Bernsteinschen Hirngespinsten frei sein.

Somit muss die georgische sozialdemokratische Zeitung klare Antwort geben auf alle Fragen, die mit der Arbeiterbewegung zusammenhängen, die prinzipiellen Fragen klären, die Rolle der Arbeiterklasse im Kampf theoretisch erläutern und jede Erscheinung auf die der Arbeiter stößt, mit dem Lichte des wissenschaftlichen Sozialismus beleuchten.

Gleichzeitig muss die Zeitung ein Vertreter der Sozialdemokratischen Partei Russlands sein und ihre Leser rechtzeitig über alle die taktischen Ansichten unterrichten, die die revolutionäre Sozialdemokratie Russlands verficht. Sie muss die Leser darüber informieren, wie die Arbeiter in den anderen Ländern leben, was sie für die Verbesserung ihrer Lage tun und wie sie das tun, und die georgischen Arbeiter rechtzeitig dazu aufrufen, auf dem Kampffeld hervorzutreten. Dabei darf die Zeitung keine gesellschaftliche Bewegung unberücksichtigt lassen, sondern muss sie alle der sozialdemokratischen Kritik unterziehen.

Das ist unsere Ansicht über die georgische Zeitung.

Wir können weder uns noch unsere Leser durch das Versprechen täuschen, mit unseren gegenwärtigen Kräften diesen Aufgaben restlos gerecht zu werden. Damit unsere Zeitung in der gebührenden Weise ausgebaut wird, bedarf sie der Hilfe der Leser selbst und der Sympathisierenden. Der Leser wird bemerken, dass die erste Nummer der Zeitung "Brdsola" viele Mängel hat, Mängel jedoch, die verbessert werden können, wenn nur der Leser selbst mithilft. Insbesondere betonen wir die Schwäche der inneren Chronik. Weit von der Heimat entfernt, Geleitwort der Redaktion sind wir der Möglichkeit beraubt, die revolutionäre Bewegung in Georgien zu verfolgen und rechtzeitig Nachrichten und Erläuterungen zu den Fragen dieser Bewegung zu geben. Deshalb bedarf es der Hilfe aus Georgien selbst. Wer gewillt ist, uns auch in literarischer Beziehung zu helfen, der wird zweifellos Mittel und Wege finden, eine direkte oder indirekte Verbindung mit der Redaktion der Zeitung "Brdsola" herzustellen.

Wir rufen alle kämpfenden Sozialdemokraten Georgiens auf, am Schicksal der Zeitung "Brdsola" tatkräftigen Anteil zu nehmen sowie an ihrer Herausgabe und Verbreitung in jeder Weise mitzuwirken und dadurch die erste freie georgische Zeitung "Brdsola" zu einem Werkzeug des revolutionären Kampfes zu machen.