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Die Metaphysik nennt man in China auch Hsüanhsuä. Sowohl in China wie in Europa gehörte diese Denkweise im Laufe einer sehr langen historischen Periode zur idealistischen Weltanschauung, und sie beherrschte die Köpfe der Menschen. In Europa war in der Frühzeit der Bourgeoisie auch der Materialismus metaphysisch. Da eine Reihe europäischer Länder im Laufe ihrer sozial-ökonomischen Entwicklung in das Stadium des hochentwickelten Kapitalismus eingetreten war, die Produktivkräfte, der Klassenkampf und die Wissenschaft ein in der Geschichte nie dagewesenes Niveau erreicht hatten und das Industrieproletariat zur mächtigsten Triebkraft der geschichtlichen Entwicklung geworden war, entstand infolgedessen die marxistische, dialektisch-materialistische Weltanschauung. Als dann kam in der Bourgeoisie, nebst dem offenen, völlig unverhüllten reaktionären Idealismus, ein vulgärer Evolutionismus als Widerpart der materialistischen Dialektik auf. | Die Metaphysik nennt man in China auch Hsüanhsuä. Sowohl in China wie in Europa gehörte diese Denkweise im Laufe einer sehr langen historischen Periode zur idealistischen Weltanschauung, und sie beherrschte die Köpfe der Menschen. In Europa war in der Frühzeit der Bourgeoisie auch der Materialismus metaphysisch. Da eine Reihe europäischer Länder im Laufe ihrer sozial-ökonomischen Entwicklung in das Stadium des hochentwickelten Kapitalismus eingetreten war, die Produktivkräfte, der Klassenkampf und die Wissenschaft ein in der Geschichte nie dagewesenes Niveau erreicht hatten und das Industrieproletariat zur mächtigsten Triebkraft der geschichtlichen Entwicklung geworden war, entstand infolgedessen die marxistische, dialektisch-materialistische Weltanschauung. Als dann kam in der Bourgeoisie, nebst dem offenen, völlig unverhüllten reaktionären Idealismus, ein vulgärer Evolutionismus als Widerpart der materialistischen Dialektik auf. | ||
Die Weltanschauung der Metaphysik oder des vulgären Evolutionismus betrachtet alle Dinge in der Welt isoliert, statisch und einseitig. Alle Dinge in der Welt, ihre Formen und ihre Gattungen wären demnach ewig voneinander isoliert, ewig unveränderlich. Insofern von Veränderungen die Rede ist, dann nur von quantitativer Zunahme oder Abnahme und von Ortsveränderung. Dabei sollen die Ursachen einer solchen Zunahme oder Abnahme beziehungsweise einer solchen Ortsveränderung nicht in den Dingen selbst liegen, sondern außerhalb ihrer, das heißt in der Einwirkung äußerer Kräfte. Die Metaphysiker vertreten die Auffassung, daß die verschiedenen Dinge in der Welt sowie ihre Eigenschaften vom Beginn ihres Seins an unverändert blieben, ihre späteren Veränderungen bloß quantitative Vergrößerungen oder Verkleinerungen seien. Die Metaphysiker sind der Ansicht, daß ein Ding nur ewig sich selbst reproduzieren, sich aber nicht in ein anderes, von ihm unterschiedliches Ding verwandeln könne. Die Metaphysiker glauben, daß die kapitalistische Ausbeutung, die kapitalistische Konkurrenz, die individualistische Ideologie der kapitalistischen Gesellschaft usw. – daß das alles auch in der antiken Sklavenhaltergesellschaft, ja sogar in der Urgesellschaft anzutreffen sei, daß es ewig und unverändert existieren werde. Was die Ursachen der gesellschaftlichen Entwicklung betrifft, so erklären die Metaphysiker sie aus Bedingungen, die außerhalb der Gesellschaft liegen – aus dem geographischen Milieu, dem Klima usw. Die Metaphysiker versuchen einfach, außerhalb der Dinge die Ursachen ihrer Entwicklung zu finden, und bestreiten die These der materialistischen Dialektik, wonach die Entwicklung der Dinge durch die ihnen innewohnenden Widersprüche hervorgerufen wird. Daher sind sie nicht in der Lage, die qualitative Vielfalt der Dinge und das Umschlagen einer Qualität in eine andere zu erklären. In Europa trat diese Denkweise im 17. und 18. Jahrhundert als mechanischer Materialismus sowie Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts als vulgärer Evolutionismus in Erscheinung. In China wurde die metaphysische Denkweise, die in den Worten „Der Himmel ist unveränderlich, und unveränderlich ist auch Tao“<ref | Die Weltanschauung der Metaphysik oder des vulgären Evolutionismus betrachtet alle Dinge in der Welt isoliert, statisch und einseitig. Alle Dinge in der Welt, ihre Formen und ihre Gattungen wären demnach ewig voneinander isoliert, ewig unveränderlich. Insofern von Veränderungen die Rede ist, dann nur von quantitativer Zunahme oder Abnahme und von Ortsveränderung. Dabei sollen die Ursachen einer solchen Zunahme oder Abnahme beziehungsweise einer solchen Ortsveränderung nicht in den Dingen selbst liegen, sondern außerhalb ihrer, das heißt in der Einwirkung äußerer Kräfte. Die Metaphysiker vertreten die Auffassung, daß die verschiedenen Dinge in der Welt sowie ihre Eigenschaften vom Beginn ihres Seins an unverändert blieben, ihre späteren Veränderungen bloß quantitative Vergrößerungen oder Verkleinerungen seien. Die Metaphysiker sind der Ansicht, daß ein Ding nur ewig sich selbst reproduzieren, sich aber nicht in ein anderes, von ihm unterschiedliches Ding verwandeln könne. Die Metaphysiker glauben, daß die kapitalistische Ausbeutung, die kapitalistische Konkurrenz, die individualistische Ideologie der kapitalistischen Gesellschaft usw. – daß das alles auch in der antiken Sklavenhaltergesellschaft, ja sogar in der Urgesellschaft anzutreffen sei, daß es ewig und unverändert existieren werde. Was die Ursachen der gesellschaftlichen Entwicklung betrifft, so erklären die Metaphysiker sie aus Bedingungen, die außerhalb der Gesellschaft liegen – aus dem geographischen Milieu, dem Klima usw. Die Metaphysiker versuchen einfach, außerhalb der Dinge die Ursachen ihrer Entwicklung zu finden, und bestreiten die These der materialistischen Dialektik, wonach die Entwicklung der Dinge durch die ihnen innewohnenden Widersprüche hervorgerufen wird. Daher sind sie nicht in der Lage, die qualitative Vielfalt der Dinge und das Umschlagen einer Qualität in eine andere zu erklären. In Europa trat diese Denkweise im 17. und 18. Jahrhundert als mechanischer Materialismus sowie Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts als vulgärer Evolutionismus in Erscheinung. In China wurde die metaphysische Denkweise, die in den Worten „Der Himmel ist unveränderlich, und unveränderlich ist auch Tao“<ref name=":5">In der Han-Dynastie sagte einmal der bekannte Vertreter der Konfuzianischen Schule Dung Dschung-schu (179-104 v.Chr.) zum Kaiser Wu Di: „Das Tao kommt vom Himmel; der Himmel ist unveränderlich, und unveränderlich ist auch das Tao.“ Der Ausdruck „Tao“ wurde von den Philosophen des chinesischen Altertums häufig angewandt. Er bedeutet „Weg“ oder „Wahrheit“ und kann auch als „Gesetz“ oder „Gesetzmäßigkeit“ aufgefaßt werden.</ref> zum Ausdruck kommt, im Laufe einer sehr langen Zeit von den verfaulten herrschenden Feudalklassen unterstützt. Den mechanischen Materialismus und den vulgären Evolutionismus dagegen, die in den letzten hundert Jahren aus Europa importiert wurden, unterstützt die Bourgeoisie. | ||
Im Gegensatz zur metaphysischen Weltanschauung vertritt die dialektisch-materialistische Weltanschauung die Meinung, daß wir beim Studium der Entwicklung der Dinge von ihrem inneren Gehalt, von dem Zusammenhang des einen Dinges mit anderen ausgehen sollen, das heißt, daß wir die Entwicklung der Dinge als ihre innere, notwendige Selbstbewegung betrachten, wobei sich jedes Ding in seiner Bewegung mit den anderen, es umgebenden Dingen in Zusammenhang und Wechselwirkung befindet. Die Grundursache der Entwicklung eines Dinges liegt nicht außerhalb, sondern innerhalb desselben; sie liegt in seiner inneren Widersprüchlichkeit. Allen Dingen wohnt diese Widersprüchlichkeit inne, und sie ist es, die die Bewegung und Entwicklung dieser Dinge verursacht. Diese innere Widersprüchlichkeit der Dinge ist die Grundursache ihrer Entwicklung, während der Zusammenhang und die Wechselwirkung eines Dinges mit anderen Dingen sekundäre Ursachen darstellen. Somit tritt die materialistische Dialektik der Theorie von der äußeren Ursache, vom äußeren Anstoß, die dem metaphysischen mechanischen Materialismus und dem metaphysischen vulgären Evolutionismus eigen ist, entschieden entgegen. Es ist klar, daß rein äußere Ursachen nur eine mechanische Bewegung der Dinge hervorzurufen vermögen, das heißt eine Vergrößerung oder Verkleinerung des Umfangs, Vermehrung oder Verminderung der Menge; es läßt sich aber aus ihnen nicht erklären, warum den Dingen eine unendliche qualitative Mannigfaltigkeit und ihre wechselseitige Verwandlung ineinander eigentümlich sind. In Wirklichkeit wird selbst die durch einen äußeren Anstoß ausgelöste mechanische Bewegung ebenfalls mittels der inneren Widersprüchlichkeit der Dinge bewerkstelligt. Auch das einfache Wachstum, die quantitative Entwicklung in der Pflanzen- und Tierwelt wird hauptsächlich durch innere Widersprüche bewirkt. Ebenso ist die Entwicklung der Gesellschaft in der Hauptsache nicht durch äußere, sondern durch innere Ursachen bedingt. Viele Länder mit fast den gleichen geographischen und klimatischen Bedingungen unterscheiden sich dem Stand ihrer Entwicklung nach sehr stark voneinander und entwickeln sich äußerst ungleichmäßig. Sogar in ein und demselben Land gehen gewaltige soziale Wandlungen vor sich, ohne daß sich das geographische Milieu und das Klima geändert hätten. Das imperialistische Rußland verwandelte sich in die sozialistische Sowjetunion, und das abgekapselte feudale Japan wurde zum imperialistischen Japan, obwohl diese Länder keine geographischen und klimatischen Veränderungen erfahren haben. China, wo lange Zeit der Feudalismus herrschte, hat in den letzten hundert Jahren große Wandlungen durchgemacht und verändert sich jetzt in der Richtung eines emanzipierten, neuen China; doch die geographischen und klimatischen Verhältnisse in China sind gleichgeblieben. Zwar ändern sich auch die geographischen Bedingungen und das Klima der Erde als Ganzes wie ihrer einzelnen Teile, aber im Vergleich zu den gesellschaftlichen Wandlungen sind diese Veränderungen völlig belanglos: während die einen Zehntausende, Hunderttausende und Millionen von Jahren brauchen, um sich bemerkbar zu machen, genügen für die anderen Jahrtausende, Jahrhunderte, Jahrzehnte, ja sogar bloß einige Jahre oder Monate (in Zeiten der Revolution). Vom Gesichtspunkt der materialistischen Dialektik sind die Veränderungen in der Natur hauptsächlich durch die Entwicklung der Widersprüche innerhalb dieser selbst bedingt. Die gesellschaftlichen Veränderungen hängen in der Hauptsache von der Entwicklung der Widersprüche innerhalb der Gesellschaft ab, also der Widersprüche zwischen Produktivkräften und Produktionsverhältnissen, zwischen den Klassen, zwischen dem Neuen und dem Alten; die Entwicklung dieser Widersprüche treibt die Gesellschaft vorwärts und gibt den Impuls für die Ablösung der alten Gesellschaft durch eine neue. Schließt die materialistische Dialektik äußere Ursachen aus? Keineswegs. Sie betrachtet die äußeren Ursachen als Bedingungen der Veränderung und die inneren Ursachen als deren Grundlage, wobei die äußeren Ursachen vermittels der inneren wirken. Bei einer entsprechenden Temperatur wird ein Ei zu einem Küken, aber keine Wärme kann einen Stein in ein Küken verwandeln; denn die Grundlage der Veränderung ist bei den beiden verschieden. Die verschiedenen Völker wirken beständig aufeinander ein. In der Epoche des Kapitalismus, insbesondere in der Epoche des Imperialismus und der proletarischen Revolution, sind der wechselseitige Einfluß und Anstoß der verschiedenen Länder auf politischem, wirtschaftlichem und kulturellem Gebiet sehr beträchtlich. Die Sozialistische Oktoberrevolution leitete eine neue Ära nicht nur in der Geschichte Rußlands, sondern auch in der Weltgeschichte ein. Sie beeinflußte die inneren Veränderungen in anderen Ländern der Welt, so auch – und zwar mit besonderer Tiefenwirkung – die inneren Veränderungen in China. Diese Veränderungen erfolgten jedoch vermittels der inneren Gesetzmäßigkeiten dieser Länder beziehungsweise Chinas selbst. Wenn in einer Schlacht das eine Heer siegt und das andere unterliegt, so werden Sieg und Niederlage durch innere Ursachen bestimmt. Der Sieg ist das Ergebnis der Stärke des Heeres oder seiner richtigen Führung, die Niederlage ist durch die Schwäche des Heeres oder durch Fehler der Führung bedingt; die äußeren Ursachen wirken vermittels der inneren. Die Niederlage, die in China im Jahre 1927 die Großbourgeoisie dem Proletariat zufügte, war durch den Opportunismus bewirkt worden, der in den Reihen des chinesischen Proletariats selbst (innerhalb der Kommunistischen Partei Chinas) geherrscht hatte. Nachdem wir mit dem Opportunismus Schluß gemacht hatten, nahm die chinesische Revolution erneut einen Aufschwung. Später litt die chinesische Revolution wiederum ernstlich unter den Schlägen des Feindes: diesmal infolge des Abenteurertums, das innerhalb unserer Partei aufgetreten war. Und als wir dann mit dem Abenteurertum aufgeräumt hatten, erfuhr unsere Sache abermals einen Aufschwung. Folglich muß sich eine Partei, um die Revolution zum Sieg zu führen, auf die Richtigkeit ihrer politischen Linie und auf die Festigkeit ihrer Organisation stützen. | Im Gegensatz zur metaphysischen Weltanschauung vertritt die dialektisch-materialistische Weltanschauung die Meinung, daß wir beim Studium der Entwicklung der Dinge von ihrem inneren Gehalt, von dem Zusammenhang des einen Dinges mit anderen ausgehen sollen, das heißt, daß wir die Entwicklung der Dinge als ihre innere, notwendige Selbstbewegung betrachten, wobei sich jedes Ding in seiner Bewegung mit den anderen, es umgebenden Dingen in Zusammenhang und Wechselwirkung befindet. Die Grundursache der Entwicklung eines Dinges liegt nicht außerhalb, sondern innerhalb desselben; sie liegt in seiner inneren Widersprüchlichkeit. Allen Dingen wohnt diese Widersprüchlichkeit inne, und sie ist es, die die Bewegung und Entwicklung dieser Dinge verursacht. Diese innere Widersprüchlichkeit der Dinge ist die Grundursache ihrer Entwicklung, während der Zusammenhang und die Wechselwirkung eines Dinges mit anderen Dingen sekundäre Ursachen darstellen. Somit tritt die materialistische Dialektik der Theorie von der äußeren Ursache, vom äußeren Anstoß, die dem metaphysischen mechanischen Materialismus und dem metaphysischen vulgären Evolutionismus eigen ist, entschieden entgegen. Es ist klar, daß rein äußere Ursachen nur eine mechanische Bewegung der Dinge hervorzurufen vermögen, das heißt eine Vergrößerung oder Verkleinerung des Umfangs, Vermehrung oder Verminderung der Menge; es läßt sich aber aus ihnen nicht erklären, warum den Dingen eine unendliche qualitative Mannigfaltigkeit und ihre wechselseitige Verwandlung ineinander eigentümlich sind. In Wirklichkeit wird selbst die durch einen äußeren Anstoß ausgelöste mechanische Bewegung ebenfalls mittels der inneren Widersprüchlichkeit der Dinge bewerkstelligt. Auch das einfache Wachstum, die quantitative Entwicklung in der Pflanzen- und Tierwelt wird hauptsächlich durch innere Widersprüche bewirkt. Ebenso ist die Entwicklung der Gesellschaft in der Hauptsache nicht durch äußere, sondern durch innere Ursachen bedingt. Viele Länder mit fast den gleichen geographischen und klimatischen Bedingungen unterscheiden sich dem Stand ihrer Entwicklung nach sehr stark voneinander und entwickeln sich äußerst ungleichmäßig. Sogar in ein und demselben Land gehen gewaltige soziale Wandlungen vor sich, ohne daß sich das geographische Milieu und das Klima geändert hätten. Das imperialistische Rußland verwandelte sich in die sozialistische Sowjetunion, und das abgekapselte feudale Japan wurde zum imperialistischen Japan, obwohl diese Länder keine geographischen und klimatischen Veränderungen erfahren haben. China, wo lange Zeit der Feudalismus herrschte, hat in den letzten hundert Jahren große Wandlungen durchgemacht und verändert sich jetzt in der Richtung eines emanzipierten, neuen China; doch die geographischen und klimatischen Verhältnisse in China sind gleichgeblieben. Zwar ändern sich auch die geographischen Bedingungen und das Klima der Erde als Ganzes wie ihrer einzelnen Teile, aber im Vergleich zu den gesellschaftlichen Wandlungen sind diese Veränderungen völlig belanglos: während die einen Zehntausende, Hunderttausende und Millionen von Jahren brauchen, um sich bemerkbar zu machen, genügen für die anderen Jahrtausende, Jahrhunderte, Jahrzehnte, ja sogar bloß einige Jahre oder Monate (in Zeiten der Revolution). Vom Gesichtspunkt der materialistischen Dialektik sind die Veränderungen in der Natur hauptsächlich durch die Entwicklung der Widersprüche innerhalb dieser selbst bedingt. Die gesellschaftlichen Veränderungen hängen in der Hauptsache von der Entwicklung der Widersprüche innerhalb der Gesellschaft ab, also der Widersprüche zwischen Produktivkräften und Produktionsverhältnissen, zwischen den Klassen, zwischen dem Neuen und dem Alten; die Entwicklung dieser Widersprüche treibt die Gesellschaft vorwärts und gibt den Impuls für die Ablösung der alten Gesellschaft durch eine neue. Schließt die materialistische Dialektik äußere Ursachen aus? Keineswegs. Sie betrachtet die äußeren Ursachen als Bedingungen der Veränderung und die inneren Ursachen als deren Grundlage, wobei die äußeren Ursachen vermittels der inneren wirken. Bei einer entsprechenden Temperatur wird ein Ei zu einem Küken, aber keine Wärme kann einen Stein in ein Küken verwandeln; denn die Grundlage der Veränderung ist bei den beiden verschieden. Die verschiedenen Völker wirken beständig aufeinander ein. In der Epoche des Kapitalismus, insbesondere in der Epoche des Imperialismus und der proletarischen Revolution, sind der wechselseitige Einfluß und Anstoß der verschiedenen Länder auf politischem, wirtschaftlichem und kulturellem Gebiet sehr beträchtlich. Die Sozialistische Oktoberrevolution leitete eine neue Ära nicht nur in der Geschichte Rußlands, sondern auch in der Weltgeschichte ein. Sie beeinflußte die inneren Veränderungen in anderen Ländern der Welt, so auch – und zwar mit besonderer Tiefenwirkung – die inneren Veränderungen in China. Diese Veränderungen erfolgten jedoch vermittels der inneren Gesetzmäßigkeiten dieser Länder beziehungsweise Chinas selbst. Wenn in einer Schlacht das eine Heer siegt und das andere unterliegt, so werden Sieg und Niederlage durch innere Ursachen bestimmt. Der Sieg ist das Ergebnis der Stärke des Heeres oder seiner richtigen Führung, die Niederlage ist durch die Schwäche des Heeres oder durch Fehler der Führung bedingt; die äußeren Ursachen wirken vermittels der inneren. Die Niederlage, die in China im Jahre 1927 die Großbourgeoisie dem Proletariat zufügte, war durch den Opportunismus bewirkt worden, der in den Reihen des chinesischen Proletariats selbst (innerhalb der Kommunistischen Partei Chinas) geherrscht hatte. Nachdem wir mit dem Opportunismus Schluß gemacht hatten, nahm die chinesische Revolution erneut einen Aufschwung. Später litt die chinesische Revolution wiederum ernstlich unter den Schlägen des Feindes: diesmal infolge des Abenteurertums, das innerhalb unserer Partei aufgetreten war. Und als wir dann mit dem Abenteurertum aufgeräumt hatten, erfuhr unsere Sache abermals einen Aufschwung. Folglich muß sich eine Partei, um die Revolution zum Sieg zu führen, auf die Richtigkeit ihrer politischen Linie und auf die Festigkeit ihrer Organisation stützen. |
Version vom 21. Dezember 2024, 21:43 Uhr
Über den Widerspruch | |
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Autor | Mao Zedong |
Verfasst in | August 1937 |
Verlag | Verlag für fremdsprachige Literatur |
Veröffentlicht | 1976 Peking |
Quelle | Marxist Internet Archive |
Einleitung
Das Gesetz des Widerspruchs, der den Dingen innewohnt, oder das Gesetz der Einheit der Gegensätze, ist das fundamentalste Gesetz der materialistischen Dialektik. Lenin sagt: „Im eigentlichen Sinne ist die Dialektik die Erforschung des Widerspruchs im Wesen der Gegenstände selbst.“[1] Dieses Gesetz nennt Lenin häufig das Wesen der Dialektik, auch den Kern der Dialektik.[2] Deshalb können wir beim Studium dieses Gesetzes nicht umhin, einen weiten Kreis von Problemen, zahlreiche philosophische Fragen zu berühren. Wenn wir in diesen Fragen Klarheit gewinnen, werden wir die materialistische Dialektik von Grund auf verstehen. Es sind dies folgende Fragen: die zwei Arten der Weltanschauung, die Allgemeinheit des Widerspruchs, die Besonderheit des Widerspruchs, der Hauptwiderspruch und die hauptsächliche Seite des Widerspruchs, Identität und Kampf der gegensätzlichen Seiten des Widerspruchs, der Platz des Antagonismus in den Widersprüchen.
Die in den Kreisen der sowjetischen Philosophen in den letzten Jahren geübte Kritik am Idealismus der Schule Deborins [2] [3] hat bei uns größtes Interesse erregt. Der Idealismus Deborins hat einen äußerst schädlichen Einfluß innerhalb der Kommunistischen Partei Chinas ausgeübt, und man kann nicht sagen, daß die dogmatischen Ansichten in unserer Partei mit der Methodologie dieser Schule nicht zusammenhängen. Daher muß das Hauptziel unserer gegenwärtigen philosophischen Forschungsarbeit die Ausmerzung der dogmatischen Ansichten sein.
I. Die zwei Arten der Weltanschauung
In der Geschichte der menschlichen Erkenntnis existieren seit jeher zwei Auffassungen von den Entwicklungsgesetzen der Welt: die eine ist die metaphysische, die andere die dialektische; sie bilden zwei entgegengesetzte Arten der Weltanschauung.
Lenin sagt:
Die beiden grundlegenden (oder die beiden möglichen? oder die beiden in der Geschichte zu beobachtenden?) Konzeptionen der Entwicklung (Evolution) sind: Entwicklung als Abnahme und Zunahme, als Wiederholung, und Entwicklung als Einheit der Gegensätze (Spaltung des Einheitlichen in einander ausschließende Gegensätze und das Wechselverhältnis zwischen ihnen).[4]
Lenin spricht gerade von diesen zwei verschiedenen Weltanschauungen.
Die Metaphysik nennt man in China auch Hsüanhsuä. Sowohl in China wie in Europa gehörte diese Denkweise im Laufe einer sehr langen historischen Periode zur idealistischen Weltanschauung, und sie beherrschte die Köpfe der Menschen. In Europa war in der Frühzeit der Bourgeoisie auch der Materialismus metaphysisch. Da eine Reihe europäischer Länder im Laufe ihrer sozial-ökonomischen Entwicklung in das Stadium des hochentwickelten Kapitalismus eingetreten war, die Produktivkräfte, der Klassenkampf und die Wissenschaft ein in der Geschichte nie dagewesenes Niveau erreicht hatten und das Industrieproletariat zur mächtigsten Triebkraft der geschichtlichen Entwicklung geworden war, entstand infolgedessen die marxistische, dialektisch-materialistische Weltanschauung. Als dann kam in der Bourgeoisie, nebst dem offenen, völlig unverhüllten reaktionären Idealismus, ein vulgärer Evolutionismus als Widerpart der materialistischen Dialektik auf.
Die Weltanschauung der Metaphysik oder des vulgären Evolutionismus betrachtet alle Dinge in der Welt isoliert, statisch und einseitig. Alle Dinge in der Welt, ihre Formen und ihre Gattungen wären demnach ewig voneinander isoliert, ewig unveränderlich. Insofern von Veränderungen die Rede ist, dann nur von quantitativer Zunahme oder Abnahme und von Ortsveränderung. Dabei sollen die Ursachen einer solchen Zunahme oder Abnahme beziehungsweise einer solchen Ortsveränderung nicht in den Dingen selbst liegen, sondern außerhalb ihrer, das heißt in der Einwirkung äußerer Kräfte. Die Metaphysiker vertreten die Auffassung, daß die verschiedenen Dinge in der Welt sowie ihre Eigenschaften vom Beginn ihres Seins an unverändert blieben, ihre späteren Veränderungen bloß quantitative Vergrößerungen oder Verkleinerungen seien. Die Metaphysiker sind der Ansicht, daß ein Ding nur ewig sich selbst reproduzieren, sich aber nicht in ein anderes, von ihm unterschiedliches Ding verwandeln könne. Die Metaphysiker glauben, daß die kapitalistische Ausbeutung, die kapitalistische Konkurrenz, die individualistische Ideologie der kapitalistischen Gesellschaft usw. – daß das alles auch in der antiken Sklavenhaltergesellschaft, ja sogar in der Urgesellschaft anzutreffen sei, daß es ewig und unverändert existieren werde. Was die Ursachen der gesellschaftlichen Entwicklung betrifft, so erklären die Metaphysiker sie aus Bedingungen, die außerhalb der Gesellschaft liegen – aus dem geographischen Milieu, dem Klima usw. Die Metaphysiker versuchen einfach, außerhalb der Dinge die Ursachen ihrer Entwicklung zu finden, und bestreiten die These der materialistischen Dialektik, wonach die Entwicklung der Dinge durch die ihnen innewohnenden Widersprüche hervorgerufen wird. Daher sind sie nicht in der Lage, die qualitative Vielfalt der Dinge und das Umschlagen einer Qualität in eine andere zu erklären. In Europa trat diese Denkweise im 17. und 18. Jahrhundert als mechanischer Materialismus sowie Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts als vulgärer Evolutionismus in Erscheinung. In China wurde die metaphysische Denkweise, die in den Worten „Der Himmel ist unveränderlich, und unveränderlich ist auch Tao“[5] zum Ausdruck kommt, im Laufe einer sehr langen Zeit von den verfaulten herrschenden Feudalklassen unterstützt. Den mechanischen Materialismus und den vulgären Evolutionismus dagegen, die in den letzten hundert Jahren aus Europa importiert wurden, unterstützt die Bourgeoisie.
Im Gegensatz zur metaphysischen Weltanschauung vertritt die dialektisch-materialistische Weltanschauung die Meinung, daß wir beim Studium der Entwicklung der Dinge von ihrem inneren Gehalt, von dem Zusammenhang des einen Dinges mit anderen ausgehen sollen, das heißt, daß wir die Entwicklung der Dinge als ihre innere, notwendige Selbstbewegung betrachten, wobei sich jedes Ding in seiner Bewegung mit den anderen, es umgebenden Dingen in Zusammenhang und Wechselwirkung befindet. Die Grundursache der Entwicklung eines Dinges liegt nicht außerhalb, sondern innerhalb desselben; sie liegt in seiner inneren Widersprüchlichkeit. Allen Dingen wohnt diese Widersprüchlichkeit inne, und sie ist es, die die Bewegung und Entwicklung dieser Dinge verursacht. Diese innere Widersprüchlichkeit der Dinge ist die Grundursache ihrer Entwicklung, während der Zusammenhang und die Wechselwirkung eines Dinges mit anderen Dingen sekundäre Ursachen darstellen. Somit tritt die materialistische Dialektik der Theorie von der äußeren Ursache, vom äußeren Anstoß, die dem metaphysischen mechanischen Materialismus und dem metaphysischen vulgären Evolutionismus eigen ist, entschieden entgegen. Es ist klar, daß rein äußere Ursachen nur eine mechanische Bewegung der Dinge hervorzurufen vermögen, das heißt eine Vergrößerung oder Verkleinerung des Umfangs, Vermehrung oder Verminderung der Menge; es läßt sich aber aus ihnen nicht erklären, warum den Dingen eine unendliche qualitative Mannigfaltigkeit und ihre wechselseitige Verwandlung ineinander eigentümlich sind. In Wirklichkeit wird selbst die durch einen äußeren Anstoß ausgelöste mechanische Bewegung ebenfalls mittels der inneren Widersprüchlichkeit der Dinge bewerkstelligt. Auch das einfache Wachstum, die quantitative Entwicklung in der Pflanzen- und Tierwelt wird hauptsächlich durch innere Widersprüche bewirkt. Ebenso ist die Entwicklung der Gesellschaft in der Hauptsache nicht durch äußere, sondern durch innere Ursachen bedingt. Viele Länder mit fast den gleichen geographischen und klimatischen Bedingungen unterscheiden sich dem Stand ihrer Entwicklung nach sehr stark voneinander und entwickeln sich äußerst ungleichmäßig. Sogar in ein und demselben Land gehen gewaltige soziale Wandlungen vor sich, ohne daß sich das geographische Milieu und das Klima geändert hätten. Das imperialistische Rußland verwandelte sich in die sozialistische Sowjetunion, und das abgekapselte feudale Japan wurde zum imperialistischen Japan, obwohl diese Länder keine geographischen und klimatischen Veränderungen erfahren haben. China, wo lange Zeit der Feudalismus herrschte, hat in den letzten hundert Jahren große Wandlungen durchgemacht und verändert sich jetzt in der Richtung eines emanzipierten, neuen China; doch die geographischen und klimatischen Verhältnisse in China sind gleichgeblieben. Zwar ändern sich auch die geographischen Bedingungen und das Klima der Erde als Ganzes wie ihrer einzelnen Teile, aber im Vergleich zu den gesellschaftlichen Wandlungen sind diese Veränderungen völlig belanglos: während die einen Zehntausende, Hunderttausende und Millionen von Jahren brauchen, um sich bemerkbar zu machen, genügen für die anderen Jahrtausende, Jahrhunderte, Jahrzehnte, ja sogar bloß einige Jahre oder Monate (in Zeiten der Revolution). Vom Gesichtspunkt der materialistischen Dialektik sind die Veränderungen in der Natur hauptsächlich durch die Entwicklung der Widersprüche innerhalb dieser selbst bedingt. Die gesellschaftlichen Veränderungen hängen in der Hauptsache von der Entwicklung der Widersprüche innerhalb der Gesellschaft ab, also der Widersprüche zwischen Produktivkräften und Produktionsverhältnissen, zwischen den Klassen, zwischen dem Neuen und dem Alten; die Entwicklung dieser Widersprüche treibt die Gesellschaft vorwärts und gibt den Impuls für die Ablösung der alten Gesellschaft durch eine neue. Schließt die materialistische Dialektik äußere Ursachen aus? Keineswegs. Sie betrachtet die äußeren Ursachen als Bedingungen der Veränderung und die inneren Ursachen als deren Grundlage, wobei die äußeren Ursachen vermittels der inneren wirken. Bei einer entsprechenden Temperatur wird ein Ei zu einem Küken, aber keine Wärme kann einen Stein in ein Küken verwandeln; denn die Grundlage der Veränderung ist bei den beiden verschieden. Die verschiedenen Völker wirken beständig aufeinander ein. In der Epoche des Kapitalismus, insbesondere in der Epoche des Imperialismus und der proletarischen Revolution, sind der wechselseitige Einfluß und Anstoß der verschiedenen Länder auf politischem, wirtschaftlichem und kulturellem Gebiet sehr beträchtlich. Die Sozialistische Oktoberrevolution leitete eine neue Ära nicht nur in der Geschichte Rußlands, sondern auch in der Weltgeschichte ein. Sie beeinflußte die inneren Veränderungen in anderen Ländern der Welt, so auch – und zwar mit besonderer Tiefenwirkung – die inneren Veränderungen in China. Diese Veränderungen erfolgten jedoch vermittels der inneren Gesetzmäßigkeiten dieser Länder beziehungsweise Chinas selbst. Wenn in einer Schlacht das eine Heer siegt und das andere unterliegt, so werden Sieg und Niederlage durch innere Ursachen bestimmt. Der Sieg ist das Ergebnis der Stärke des Heeres oder seiner richtigen Führung, die Niederlage ist durch die Schwäche des Heeres oder durch Fehler der Führung bedingt; die äußeren Ursachen wirken vermittels der inneren. Die Niederlage, die in China im Jahre 1927 die Großbourgeoisie dem Proletariat zufügte, war durch den Opportunismus bewirkt worden, der in den Reihen des chinesischen Proletariats selbst (innerhalb der Kommunistischen Partei Chinas) geherrscht hatte. Nachdem wir mit dem Opportunismus Schluß gemacht hatten, nahm die chinesische Revolution erneut einen Aufschwung. Später litt die chinesische Revolution wiederum ernstlich unter den Schlägen des Feindes: diesmal infolge des Abenteurertums, das innerhalb unserer Partei aufgetreten war. Und als wir dann mit dem Abenteurertum aufgeräumt hatten, erfuhr unsere Sache abermals einen Aufschwung. Folglich muß sich eine Partei, um die Revolution zum Sieg zu führen, auf die Richtigkeit ihrer politischen Linie und auf die Festigkeit ihrer Organisation stützen.
Die dialektische Weltanschauung ist sowohl in China als auch in Europa bereits im Altertum aufgekommen. Doch trug die Dialektik des Altertums einen spontanen, primitiven Charakter, konnte gemäß den sozialen und historischen Bedingungen jener Zeit noch nicht die Gestalt einer abgeschlossenen Theorie annehmen, daher auch keine umfassende Interpretation der Welt geben; sie wurde in der Folge durch die Metaphysik ersetzt. Der berühmte deutsche Philosoph Hegel, der Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts lebte, hat einen sehr bedeutsamen Beitrag zur Dialektik geleistet, aber seine Dialektik war idealistisch. Erst als die großen Vorkämpfer der proletarischen Bewegung Marx und Engels die in der Geschichte der menschlichen Erkenntnis erzielten positiven Ergebnisse verallgemeinerten und insbesondere die rationellen Elemente der Hegelschen Dialektik kritisch übernahmen und die großartige Theorie des dialektischen und historischen Materialismus schufen, ging eine beispiellose Revolution in der Geschichte der menschlichen Erkenntnis vor sich. Diese großartige Theorie wurde in der Folge von Lenin und Stalin weiterentwickelt. Sobald sie in China Eingang gefunden hatte, rief sie im geistigen Leben Chinas sofort die größten Veränderungen hervor.
Diese dialektische Weltanschauung lehrt uns vor allem, die Bewegung der Widersprüche in den verschiedenen Dingen verständnisvoll zu beobachten und zu analysieren und auf der Grundlage dieser Analyse die Methoden für die Lösung der Widersprüche zu bestimmen. Daher ist das konkrete Verständnis des Gesetzes von dem Widerspruch, der den Dingen innewohnt, für uns äußerst wichtig.
II. Die Allgemeinheit des Widerspruchs
Um der bequemeren Darlegung willen werde ich zunächst die Allgemeinheit des Widerspruchs und dann seine Besonderheit behandeln. Es handelt sich darum, daß die Allgemeinheit des Widerspruchs bereits von vielen anerkannt worden ist, nachdem die Begründer und Fortsetzer des Marxismus – Marx, Engels, Lenin und Stalin – die dialektisch-materialistische Weltanschauung ausgearbeitet und die materialistische Dialektik mit allergrößtem Erfolg auf zahlreiche Gebiete der historischen und naturgeschichtlichen Forschung, bzw. auf viele Gebiete der Umgestaltung der Gesellschaft und der Natur (zum Beispiel in der Sowjetunion) angewandt haben; deshalb braucht man nicht lange bei der Klärung dieser Frage zu verweilen. Was jedoch die Besonderheit des Widerspruchs betrifft, so sehen hierin viele Genossen, vor allem die Dogmatiker, noch nicht klar. Sie verstehen nicht, daß die Allgemeinheit des Widerspruchs gerade in dessen Besonderheit existiert. Ebensowenig verstehen sie, welch große Bedeutung es für unsere Anleitung der revolutionären Praxis hat, die Besonderheit der den vorliegenden konkreten Dingen innewohnenden Widersprüche zu studieren. Deshalb müssen wir auf das Studium der Besonderheit des Widerspruchs Nachdruck legen und der Klärung dieses Problems hinreichenden Raum widmen. Wir beginnen deswegen die Analyse des Gesetzes von dem den Dingen innewohnenden Widerspruch mit der Behandlung der Allgemeinheit des Widerspruchs, dann analysieren wir eingehend die Besonderheit des Widerspruchs und kehren schließlich zum Problem seiner Allgemeinheit zurück.
Der allgemeine oder absolute Charakter des Widerspruchs ist in einem doppelten Sinn zu verstehen: Erstens existieren Widersprüche in den Entwicklungsprozessen aller Dinge, zweitens existiert im Entwicklungsprozeß jedes Dinges die Bewegung der Widersprüche von Anfang bis Ende.
Engels sagt: „Die Bewegung selbst ist ein Widerspruch ...“[6]
Die Leninsche Definition des Gesetzes von der Einheit der Gegensätze lautet, daß es die „Anerkennung (Aufdeckung) widersprechender, einander ausschließender, gegensätzlicher Tendenzen in allen Erscheinungen und Vorgängen der Natur (darunter auch des Geistes und der Gesellschaft)“[7] ist. Sind diese Thesen richtig? Ja, sie sind richtig. Die wechselseitige Abhängigkeit und der Kampf der Gegensätze, die jedem Ding innewohnen, bestimmen das Leben aller Dinge, treiben die Entwicklung aller Dinge vorwärts. Es gibt keine Dinge, die nicht Widersprüche in sich trügen; ohne Widersprüche gäbe es kein Weltall.
Der Widerspruch ist die Grundlage einfacher Bewegungsformen (zum Beispiel der mechanischen Bewegung) und um so mehr die Grundlage komplizierter Bewegungsformen.
Engels erläutert die Allgemeinheit des Widerspruchs folgendermaßen:
Wenn schon die einfache mechanische Ortsbewegung einen Widerspruch in sich enthält, so noch mehr die höhern Bewegungsformen der Materie und ganz besonders das organische Leben und seine Entwicklung ... das Leben [besteht] grade vor allem darin, daß ein Wesen in jedem Augenblick dasselbe und doch ein andres ist. Das Leben ist also ebenfalls ein in den Dingen und Vorgängen selbst vorhandner, sich stets setzender und lösender Widerspruch; und sobald der Widerspruch aufhört, hört auch das Leben auf, der Tod tritt ein. Ebenso sahen wir, wie auch auf dem Gebiete des Denkens wir den Widersprüchen nicht entgehen können und wie z.B. der Widerspruch zwischen dem innerlich unbegrenzten menschlichen Erkenntnisvermögen und seinem wirklichen Dasein in lauter äußerlich beschränkten und beschränkt erkennenden Menschen sich löst in der für uns wenigstens praktisch endlosen Aufeinanderfolge der Geschlechter, im unendlichen Progreß.
... die höhere Mathematik [hat] den Widerspruch ... zu einer ihrer Hauptgrundlagen ... Aber auch schon in [der niederen Mathematik] wimmelt es von Widersprüchen.[8]
Lenin erläutert die Allgemeinheit des Widerspruchs auf die gleiche Weise:
In der Mathematik + und -. Differential und Integral. In der Mechanik Wirkung und Gegenwirkung. In der Physik positive und negative Elektrizität. In der Chemie Verbindung und Dissoziation der Atome. In der Gesellschaftswissenschaft Klassenkampf.[9]
Offensive und Defensive, Vormarsch und Rückzug, Sieg und Niederlage im Krieg – das alles sind einander widersprechende Erscheinungen. Die eine Seite kann ohne die andere nicht existieren. Der Kampf der beiden Seiten und ihre Verbundenheit bilden zusammen das einheitliche Ganze des Krieges, treiben die Entwicklung des Krieges an und lösen die Probleme des Krieges.
Jeder Unterschied in den menschlichen Begriffen ist als die Widerspiegelung eines objektiven Widerspruchs zu betrachten. Die Widerspiegelung der objektiven Widersprüche im subjektiven Denken bildet die widersprüchliche Bewegung der Begriffe; diese Bewegung treibt die Entwicklung des menschlichen Denkens vorwärts und löst in einem fort die Fragen, die sich dem menschlichen Denken stellen.
Ständig kommt es innerhalb der Partei zur Gegenüberstellung und zum Kampf verschiedener Ansichten, und das ist eine Widerspiegelung der in der Gesellschaft vorhandenen Widersprüche zwischen den Klassen, zwischen dem Alten und dem Neuen in der Partei. Gäbe es in der Partei keine Widersprüche und keinen ideologischen Kampf zur Lösung dieser Widersprüche, dann würde das Leben der Partei aufhören.
Somit haben wir es klargemacht, daß es überall, in allen Prozessen Widersprüche gibt, in den einfachen Bewegungsformen wie in den komplizierten, in den Erscheinungen der objektiven Welt wie in denen des menschlichen Denkens. Existiert jedoch der Widerspruch auch im Anfangsstadium eines jeden Prozesses? Ist dem Entwicklungsprozeß eines jeden Dinges eine Bewegung der Widersprüche von Anfang bis Ende eigen?
Wie aus den Artikeln hervorgeht, in denen sowjetische Philosophen die Schule Deborins kritisieren, vertritt diese Schule den Standpunkt, daß der Widerspruch nicht gleich zu Beginn eines Prozesses auftritt, sondern erst wenn dieser ein bestimmtes Entwicklungsstadium erreicht hat. Daraus würde folgen, daß bis dahin die Entwicklung des Prozesses unter der Einwirkung äußerer und nicht innerer Ursachen vor sich ginge. Deborin kehrt so zur metaphysischen Theorie der äußeren Ursache und des Mechanismus zurück. Von diesem Standpunkt ausgehend, gelangte die Schule Deborins bei der Analyse konkreter Probleme zum Schluß, daß es unter den sowjetischen Verhältnissen zwischen den Kulaken und der Masse der Bauernschaft keine Widersprüche, sondern nur Unterschiede gäbe, und stimmte so mit der Ansicht Bucharins[2][10] vollkommen überein. Bei der Analyse der Französischen Revolution war sie der Meinung, daß es vor der Revolution im Dritten Stand, der sich aus den Arbeitern, den Bauern und der Bourgeoisie zusammensetzte, ebenfalls nur Unterschiede, aber keine Widersprüche gegeben hätte. Diese Ansichten der Schule Deborins sind antimarxistisch. Sie begriff nicht, daß in jedem Unterschied, den es auf der Welt gibt, schon ein Widerspruch enthalten ist, daß Unterschied eben Widerspruch ist. In demselben Augenblick, da das Proletariat und die Bourgeoisie aufkamen, wurde der Widerspruch zwischen Arbeit und Kapital geboren; er hatte sich nur noch nicht verschärft. Auch zwischen den Arbeitern und den Bauern gibt es selbst unter den gesellschaftlichen Verhältnissen der Sowjetunion einen Unterschied. Dieser Unterschied ist eben ein Widerspruch, allein dieser Widerspruch wird sich, im Unterschied zum Widerspruch zwischen Arbeit und Kapital, zu keinem Antagonismus zuspitzen und nicht die Form des Klassenkampfs annehmen; die Arbeiter und Bauern haben im Laufe des sozialistischen Aufbaus ein festes Bündnis geschlossen, und der Widerspruch zwischen ihnen wird im Prozeß der Entwicklung vom Sozialismus zum Kommunismus allmählich gelöst. Hier geht es um den unterschiedlichen Charakter der Widersprüche, nicht aber um das Vorhandensein oder Fehlen von Widersprüchen. Der Widerspruch ist allgemein, absolut; er existiert in allen Entwicklungsprozessen der Dinge und durchdringt alle Prozesse von Anfang bis Ende.
Was bedeutet die Entstehung eines neuen Prozesses? Es bedeutet, daß eine alte Einheit und die sie bildenden Gegensätze einer neuen Einheit und den sie bildenden Gegensätzen Platz machen, dann entsteht ein neuer Prozeß, der den alten ablöst. Der alte Prozeß ist zu Ende, ein neuer entsteht. Der neue Prozeß enthält wiederum neue Widersprüche und beginnt nunmehr seine eigene Entwicklungsgeschichte der Widersprüche.
Eine derartige Analyse dieser Bewegung der Widersprüche, die sich durch den Entwicklungsprozeß eines Dinges von Anfang bis Ende hinzieht, hat Marx, wie Lenin bemerkt, im Kapital in mustergültiger Weise vorgenommen. Das ist die Methode, die beim Studium des Entwicklungsprozesses jedes Dinges angewendet werden muß. Auch Lenin selbst wandte sie richtig an und hielt sich an sie in allen seinen Werken.
Marx analysiert im Kapital zunächst das einfachste, gewöhnlichste, grundlegendste, massenhafteste, alltäglichste, milliardenfach zu beobachtende Verhältnis der bürgerlichen (Waren-) Gesellschaft: den Warenaustausch. Die Analyse deckt in dieser einfachsten Erscheinung (in dieser „Zelle“ der bürgerlichen Gesellschaft) alle Widersprüche (resp. die Keime aller Widersprüche) der modernen Gesellschaft auf. Die weitere Darstellung zeigt uns die Entwicklung (sowohl das Wachstum als auch die Bewegung) dieser Widersprüche und dieser Gesellschaft in ihrer einzelnen Teile, von ihrem Anfang bis zu ihrem Ende.
Gleich dahinter bemerkt Lenin: „Dieser Art muß auch die Methode der Darstellung (resp. Erforschung) der Dialektik überhaupt sein.“[11]
Die chinesischen Kommunisten müssen diese Methode beherrschen lernen; nur dann werden sie die Geschichte und die gegenwärtige Lage der chinesischen Revolution richtig analysieren und deren Perspektiven davon ableiten können.
III. Die Besonderheit des Widerspruchs
Wie schon oben gesagt, besteht der allgemeine und absolute Charakter des Widerspruchs darin, daß in den Entwicklungsprozessen aller Dinge Widersprüche existieren und die Widersprüche den Entwicklungsprozeß jedes Dinges von Anfang bis Ende durchdringen. Betrachten wir jetzt die Besonderheit und Relativität des Widerspruchs.
Diese Frage muß auf verschiedenen Ebenen untersucht werden.
Vor allem haben die Widersprüche in all den verschiedenen Bewegungsformen der Materie jeweils einen besonderen Charakter. Die Erkenntnis der Materie durch den Menschen ist die Erkenntnis der Bewegungsformen der Materie; denn in der Welt existiert nichts außer der sich bewegenden Materie, und die Bewegung der Materie muß bestimmte Formen annehmen. Bei der Betrachtung jeder Bewegungsform der Materie muß das im Auge behalten werden, was sie mit den anderen Bewegungsformen gemeinsam hat. Noch wichtiger aber ist es – und das bildet die Grundlage unserer Erkenntnis der Dinge –, das Besondere in Betracht zu ziehen, das jeder Bewegungsform eigentümlich ist, das heißt, die qualitativen Unterschiede zwischen dieser und den anderen Bewegungsformen zu beachten. Nur auf diese Weise kann man ein Ding von dem anderen unterscheiden. Jede Bewegungsform enthält ihre eigenen besonderen Widersprüche. Diese besonderen Widersprüche bilden das besondere Wesen eines Dinges, das dieses von anderen Dingen unterscheidet. Hierin besteht die innere Ursache oder, wie man es auch nennen kann, die Grundlage der unendlichen Vielfalt der Dinge in der Welt. In der Natur gibt es viele Bewegungsformen: mechanische Bewegung, Schall, Licht, Wärme, Elektrizität, Dissoziation, Verbindung usw. Alle diese Bewegungsformen der Materie befinden sich in wechselseitiger Abhängigkeit, doch sind sie ihrem Wesen nach voneinander verschieden. Das besondere Wesen jeder Bewegungsform der Materie wird durch die besonderen Widersprüche bestimmt, die dieser Form innewohnen. So verhält es sich nicht bloß in der Natur, sondern gleichermaßen auch in den Erscheinungen der Gesellschaft und des Denkens. Jede Form der Gesellschaft und jede Form des Denkens hat ihre besonderen Widersprüche und ihr besonderes Wesen.
Die Abgrenzung der verschiedenen Wissenschaften voneinander beruht gerade auf den besonderen Widersprüchen, die ihren Forschungsobjekten innewohnen. Daher bildet ein bestimmter Widerspruch, der nur der Sphäre einer bestimmten Erscheinung eigentümlich ist, das Forschungsobjekt einer bestimmten Wissenschaft. Zum Beispiel Plus und Minus in der Mathematik, Wirkung und Gegenwirkung in der Mechanik, negative und positive Elektrizität in der Physik, Dissoziation und Verbindung in der Chemie, Produktivkräfte und Produktionsverhältnisse, Klassen und Klassenkampf in den Gesellschaftswissenschaften, Angriff und Verteidigung in der Militärwissenschaft, Idealismus und Materialismus, metaphysische und dialektische Anschauung in der Philosophie usw. – das alles hat jeweils seinen besonderen Widerspruch und sein besonderes Wesen und bildet deshalb auch Forschungsobjekte verschiedener Wissenschaften. Gewiß ist es ohne Erkenntnis der Allgemeinheit des Widerspruchs unmöglich, die allgemeinen Ursachen oder die allgemeinen Grundlagen der Bewegung oder Entwicklung der Dinge aufzudecken. Doch ohne Untersuchung des Besonderen im Widerspruch ist es unmöglich, das besondere Wesen, das ein Ding von den anderen unterscheidet, zu bestimmen, ist es unmöglich, die besonderen Ursachen oder besonderen Grundlagen der Bewegung oder Entwicklung der Dinge aufzudecken, ist es auch unmöglich, die Dinge voneinander zu unterscheiden und die wissenschaftlichen Forschungsgebiete voneinander abzugrenzen.
Was die Reihenfolge der Bewegung der menschlichen Erkenntnis betrifft, so erweitert sich diese stets allmählich von der Erkenntnis des Einzelnen und Besonderen zur Erkenntnis des Allgemeinen. Die Menschen beginnen immer zuerst mit der Erkenntnis des besonderen Wesens der vielen verschiedenen Dinge; erst dann können sie zur Verallgemeinerung übergehen und das gemeinsame Wesen der Dinge erkennen. Nachdem die Menschen dieses gemeinsame Wesen erkannt haben, gehen sie weiter und studieren, geleitet von dieser Erkenntnis des Gemeinsamen, die verschiedenen konkreten Dinge, die noch nicht oder nicht gründlich erforscht sind, und finden das besondere Wesen jedes Dinges heraus. Nur auf diese Weise können sie die Erkenntnis des gemeinsamen Wesens vervollständigen, bereichern und entwickeln, so daß diese Erkenntnis nicht welk und leblos wird. Das sind die beiden Prozesse der Erkenntnis: der eine führt vom Besonderen zum Allgemeinen, der andere vom Allgemeinen zum Besonderen. Die Entwicklung der menschlichen Erkenntnis stellt stets eine solche spiralförmige Bewegung dar, wobei jede Windung die menschliche Erkenntnis auf eine höhere Stufe hebt und sie beständig vertieft (jedoch nur dann, wenn dabei die wissenschaftliche Methode streng eingehalten wird). Der Fehler unserer Dogmatiker in dieser Frage besteht in folgendem: Einerseits verstehen sie nicht, daß man die Allgemeinheit des Widerspruchs und das gemeinsame Wesen der Dinge nur dann in vollem Maße erkennen kann, wenn man zuvor die Besonderheit des Widerspruchs erforscht und das besondere Wesen der einzelnen Dinge erkannt hat; andererseits verstehen sie nicht, daß wir, sobald das gemeinsame Wesen der Dinge erkannt ist, unbedingt weitergehen und jene konkreten Dinge studieren müssen, die noch nicht gründlich erforscht sind oder zum erstenmal in Erscheinung treten. Unsere Dogmatiker sind faule Kerle, die jede mühselige Forschungsarbeit an konkreten Dingen ablehnen; sie betrachten die allgemeinen Wahrheiten als etwas vom Himmel Gefallenes, verwandeln sie in unfaßbare, rein abstrakte Formeln, negieren total die normale Reihenfolge der Erkenntnis der Wahrheit durch den Menschen und stellen sie auf den Kopf. Ebensowenig verstehen sie die wechselseitige Verbundenheit zwischen den beiden Prozessen der menschlichen Erkenntnis: vom Besonderen zum Allgemeinen und vom Allgemeinen zum Besonderen. Sie verstehen überhaupt nicht die marxistische Erkenntnistheorie.
Es ist nicht nur notwendig, die besondere Widersprüchlichkeit und das durch sie bestimmte Wesen jedes großen Systems der Bewegungsformen der Materie zu studieren, sondern man muß auch den besonderen Widerspruch und das Wesen jedes einzelnen Prozesses auf dem langen Entwicklungsweg jeder Bewegungsform der Materie untersuchen. In allen Bewegungsformen ist jeder wirkliche und nicht eingebildete Entwicklungsprozeß qualitativ unterschiedlich. In unserer Forschungsarbeit müssen wir diesem Punkt größte Aufmerksamkeit zuwenden, ja, wir müssen von ihm ausgehen.
Qualitativ verschiedene Widersprüche können nur mit qualitativ verschiedenen Methoden gelöst werden. So ist zum Beispiel der Widerspruch zwischen dem Proletariat und der Bourgeoisie mit der Methode der sozialistischen Revolution zu lösen. Der Widerspruch zwischen den Volksmassen und dem Feudalsystem ist mit der Methode der demokratischen Revolution zu lösen. Der Widerspruch zwischen den Kolonien und dem Imperialismus ist mit der Methode des revolutionären nationalen Krieges zu lösen. Der Widerspruch zwischen der Arbeiterklasse und der Bauernschaft in der sozialistischen Gesellschaft ist mit der Methode der Kollektivierung und Mechanisierung der Landwirtschaft zu lösen. Die Widersprüche innerhalb der Kommunistischen Partei sind mit der Methode der Kritik und Selbstkritik zu lösen. Die Widersprüche zwischen Gesellschaft und Natur sind mit der Methode der Entwicklung der Produktivkräfte zu lösen. Die Prozesse verändern sich, alte Prozesse und alte Widersprüche verschwinden, neue Prozesse und neue Widersprüche entstehen, und dementsprechend verändern sich auch die Methoden zur Lösung der Widersprüche. Die Widersprüche, die in der Februar- und in der Oktoberrevolution in Rußland gelöst wurden, und die zu ihrer Lösung angewandten Methoden sind voneinander grundverschieden. Die Lösung verschiedener Widersprüche mit Hilfe verschiedener Methoden – das ist ein Prinzip, das die Marxisten-Leninisten streng einhalten müssen. Die Dogmatiker halten dieses Prinzip nicht ein, sie verstehen nicht die Verschiedenheit der Bedingungen, unter denen die verschiedenen Revolutionen vor sich gehen, folglich verstehen sie auch nicht, daß die verschiedenen Widersprüche mit Hilfe verschiedener Methoden gelöst werden müssen; sie wenden überall willkürlich dieselbe Schablone an, die sie für unabänderlich halten, was nur dazu führen kann, daß die Revolution Rückschläge erleidet oder daß eine aussichtsreiche Sache zu Schanden gemacht wird.
Um die Besonderheiten der Widersprüche im Entwicklungsprozeß eines Dinges in ihrer Gesamtheit oder ihrer wechselseitigen Verbundenheit aufzudecken, das heißt, um das Wesen dieses Prozesses bloßzulegen, muß man die Besonderheiten aller Seiten der in diesem Prozeß enthaltenen Widersprüche aufdecken; anderenfalls wird es unmöglich sein, das Wesen des Prozesses zu enthüllen. Auch darauf müssen wir bei unserer Forschungsarbeit besonderes Augenmerk richten.
Ein Ding von größerer Dimension enthält im Prozeß seiner Entwicklung eine Anzahl von Widersprüchen. So existieren beispielsweise im Prozeß der bürgerlich-demokratischen Revolution in China der Widerspruch zwischen den verschiedenen unterdrückten Klassen der chinesischen Gesellschaft und dem Imperialismus, der Widerspruch zwischen den Volksmassen und dem Feudalsystem, der Widerspruch zwischen Proletariat und Bourgeoisie, der Widerspruch zwischen der Bauernschaft und dem städtischen Kleinbürgertum einerseits und der Bourgeoisie andererseits, die Widersprüche zwischen den verschiedenen reaktionären herrschenden Cliquen usw.; die Lage ist hier außerordentlich kompliziert. Nun hat nicht nur jeder dieser Widersprüche seine Besonderheit und es können nicht alle auf ein und dieselbe Weise behandelt werden, sondern die beiden Seiten eines jeden Widerspruchs haben wiederum jede ihre eigenen Besonderheiten, und man darf an sie ebenfalls nicht in gleicher Weise herangehen. Wir, die wir für die Sache der chinesischen Revolution tätig sind, müssen die Besonderheit der Widersprüche nicht nur in ihrer Gesamtheit, das heißt in ihrer wechselseitigen Verbundenheit begreifen, sondern wir können die Gesamtheit der Widersprüche nur dann verstehen, wenn wir beide Seiten eines jeden Widerspruchs studieren. Beide Seiten eines jeden Widerspruchs verstehen heißt verstehen, welche spezifische Position jede Seite einnimmt, heißt verstehen, in welchen konkreten Formen die beiden Seiten voneinander abhängen und zueinander im Gegensatz stehen und mit welchen konkreten Methoden sie während ihrer wechselseitigen Abhängigkeit und Gegensätzlichkeit und nach dem Bruch des Abhängigkeitsverhältnisses miteinander kämpfen. Das Studium dieser Fragen ist äußerst wichtig. Das gerade hatte Lenin im Auge, als er sagte, daß das innerste Wesen, die lebendige Seele des Marxismus in der konkreten Analyse einer konkreten Situation besteht.[12] Unsere Dogmatiker verstoßen gegen diesen Hinweis Lenins, sie strengen niemals den Kopf an, um irgendetwas konkret zu analysieren, sondern käuen in ihren Artikeln und Reden beständig ein und dieselben hohlen Phrasen nach einer Schablone wieder und schaffen damit in unserer Partei einen äußerst schlechten Arbeitsstil.
Beim Studium irgendeiner Frage muß man sich vor Subjektivismus, Einseitigkeit und Oberflächlichkeit hüten. Subjektivismus – das ist das Unvermögen, an eine Sache objektiv, das heißt materialistisch heranzugehen, worüber ich schon in der Arbeit Über die Praxis gesprochen habe. Einseitigkeit besteht darin, daß man nicht versteht, eine Frage von jeder Seite zu betrachten. Man begreift zum Beispiel nur China, aber nicht Japan, nur die Kommunistische Partei, aber nicht die Kuomintang, nur das Proletariat, aber nicht die Bourgeoisie, nur die Bauernschaft, aber nicht die Grundherren, nur die günstigen Bedingungen, aber nicht die schwierigen, nur die Vergangenheit, aber nicht die Zukunft, nur das Einzelne, aber nicht die Gesamtheit, nur die Mängel, aber nicht die Erfolge, nur den Kläger, aber nicht den Angeklagten, nur die illegale revolutionäre Arbeit, aber nicht die offene revolutionäre Arbeit usw. – kurz gesagt: man versteht nicht die Besonderheiten der beiden Seiten des Widerspruchs. Das bedeutet eben, eine Frage einseitig zu betrachten oder mit anderen Worten, nur den Teil, aber nicht das Ganze, nur die einzelnen Bäume, aber nicht den Wald zu sehen. Bei solcher Art des Vorgehens ist es unmöglich, die Methoden zur Lösung der Widersprüche zu finden, ist es unmöglich, die Aufgaben der Revolution zu erfüllen, ist es unmöglich, die einem aufgetragene Arbeit gut zu verrichten, ist es unmöglich, den ideologischen Kampf innerhalb der Partei richtig zu entwickeln. Über die Kriegskunst sagte Sun Dsi: „Kennst du den Feind und kennst du dich selbst – hundert Schlachten ohne Schlappe“.[13] Er sprach von zwei kriegführenden Seiten. We Dscheng, der zur Zeit der Tang-Dynastie lebte, tat den Ausspruch: „Hörst du alle an, dann bist du dir im klaren, schenkst du nur einem Glauben, wirst du im dunkeln tappen.“[14] Auch er verstand, daß Einseitigkeit falsch ist. Unsere Genossen gehen jedoch oft einseitig an die Fragen heran und holen sich dabei immer wieder Beulen. Im Roman Die Helden vom Liangschan-Moor griff Sung Djiang dreimal das Dorf Dschu an[15], erlitt jedoch die beiden ersten Male eine Niederlage, weil er die lokalen Verhältnisse nicht kannte und nach einer falschen Methode vorging. Danach änderte er seine Methode; als erstes erkundete er die Lage, so fand er sich in dem Labyrinth von Wegen zurecht, sprengte das Bündnis zwischen den Dörfern Li, Hu und Dschu, legte einen Hinterhalt in das Lager des Feindes, indem er eine ähnliche Methode anwendete, wie sie in der ausländischen Sage vom Trojanischen Pferd berichtet wird, und sein dritter Angriff war von Erfolg gekrönt. In diesem Roman gibt es eine ganze Reihe von Beispielen für die Anwendung der materialistischen Dialektik, unter denen der dreimalige Angriff auf das Dorf Dschu wohl das beste ist. Lenin sagt:
„Um einen Gegenstand wirklich zu kennen, muß man alle seine Seiten, alle Zusammenhänge und „Vermittelungen“ erfassen und erforschen. Wir werden das niemals vollständig erreichen, die Forderung der Allseitigkeit wird uns aber vor Fehlern und vor Erstarrung bewahren.“[16]
Wir müssen uns diese Worte Lenins merken. Die Oberflächlichkeit besteht darin, daß man weder die Besonderheiten des Widerspruchs als Ganzes noch die Besonderheiten seiner Seiten in Betracht zieht, daß man die Notwendigkeit leugnet, tief in das Wesen der Dinge einzudringen und die Besonderheiten des Widerspruchs sorgfältig zu studieren, daß man sich mit einer Beobachtung aus der Ferne begnügt, den Widerspruch in groben Umrissen nach der Methode des Über-den-Daumen-Peilens bestimmt und ihn hierauf sofort zu lösen versucht (Fragen zu beantworten, Meinungsstreitigkeiten zu entscheiden, Arbeiten zu verrichten, militärische Operationen zu leiten). Ein solches Vorgehen kann nur üble Folgen nach sich ziehen. Jene chinesischen Genossen, die an Dogmatismus und Empirismus kranken, begehen deshalb Fehler, weil sie subjektiv, einseitig und oberflächlich die Dinge betrachten. Einseitigkeit ist ebenso wie Oberflächlichkeit zugleich auch Subjektivismus. Da alle objektiv existierenden Dinge miteinander zusammenhängen und ihre inneren Gesetzmäßigkeiten haben, so ist die Methode derjenigen, die diese Tatsache nicht wahrheitsgetreu widerspiegeln, sondern die Dinge nur einseitig oder oberflächlich betrachten und deren wechselseitigen Zusammenhang und innere Gesetzmäßigkeiten nicht kennen, notwendigerweise subjektivistisch.
Nicht nur die Besonderheiten der Bewegung der Widersprüche im gesamten Entwicklungsprozeß der Dinge – sowohl hinsichtlich ihrer wechselseitigen Verbundenheit als auch des Zustands jeder ihrer Seiten – müssen wir beachten; auch die einzelnen Etappen dieses Prozesses haben ihre eigenen Besonderheiten, die wir ebenfalls im Auge behalten müssen.
Der Grundwiderspruch im Entwicklungsprozeß eines Dinges und das durch diesen Grundwiderspruch bedingte Wesen des Prozesses verschwinden nicht, solange der Prozeß nicht abgeschlossen ist; doch weisen die Umstände in den einzelnen Etappen dieses langen Entwicklungsprozesses oft Unterschiede auf. Das ergibt sich daraus, daß der Grundwiderspruch im Entwicklungsprozeß des betreffenden Dinges, obgleich sich sein Charakter und das Wesen dieses Prozesses nicht ändern, in den einzelnen Entwicklungsetappen des langen Prozesses immer schärfere Formen annimmt. Mehr noch, unter den größeren und kleineren Widersprüchen, die durch den Grundwiderspruch bedingt sind oder sich unter seinem Einfluß befinden, verschärfen sich die einen, während andere zeitweilig oder teilweise gelöst oder gemildert werden und wieder andere, neue Widersprüche entstehen. Daher tritt ja der Prozeß etappenweise in Erscheinung. Wer auf die Etappen des Entwicklungsprozesses eines Dinges nicht achtet, ist nicht imstande, die dem Ding innewohnenden Widersprüche in angemessener Weise zu behandeln.
Als beispielsweise der Kapitalismus der Epoche der freien Konkurrenz in den Imperialismus überging, erfuhren weder der Charakter der beiden Klassen, die im antagonistischen Widerspruch zueinander stehen – Proletariat und Bourgeoisie –, noch das kapitalistische Wesen der bestehenden Gesellschaft irgendeine Änderung; es verschärften sich aber die Widersprüche zwischen diesen beiden Klassen, es entstanden Widersprüche zwischen dem monopolistischen und dem nichtmonopolistischen Kapital, die Widersprüche zwischen den Metropolen und den Kolonien verschärften sich, und besonders scharf kamen die Widersprüche unter den kapitalistischen Ländern zum Ausdruck, Widersprüche, die durch die ungleichmäßige Entwicklung der verschiedenen Länder hervorgerufen wurden. So entstand ein besonderes Stadium des Kapitalismus: das Stadium des Imperialismus. Der Leninismus wurde gerade deshalb der Marxismus der Epoche des Imperialismus und der proletarischen Revolution, weil Lenin und Stalin diese Widersprüche richtig erklärt und die richtige Theorie und Taktik der zur Lösung dieser Widersprüche berufenen proletarischen Revolution ausgearbeitet haben.
Nimmt man den Prozeß der bürgerlich-demokratischen Revolution in China, der mit der Revolution von 1911[17] begann, so findet man hier gleichfalls mehrere spezifische Etappen. Insbesondere stellen die Periode, da die Bourgeoisie die Revolution führte, und die Periode der Führung der Revolution durch das Proletariat zwei historische Etappen dar, die sich voneinander in sehr hohem Maße unterscheiden. Mit anderen Worten, die Führung durch das Proletariat änderte das Antlitz der Revolution von Grund auf, führte zu einer Umgruppierung der Klassenkräfte, zur breiten Entfaltung der bäuerlichen Revolution, verlieh der antiimperialistischen und antifeudalistischen Revolution einen konsequenten Charakter, schuf die Möglichkeit des Hinüberwachsens der demokratischen Revolution in die sozialistische Revolution usw. Das alles war in der Periode, da die Bourgeoisie die Revolution führte, unmöglich. Obwohl sich der Charakter des Grundwiderspruchs im Gesamtprozeß – das heißt der Charakter dieses Prozesses als der einer antiimperialistischen und antifeudalistischen demokratischen Revolution (die andere Seite dieses Widerspruchs ist der halbkoloniale und halbfeudale Charakter) – in keiner Weise änderte, durchlief der Prozeß dennoch im Verlauf dieser langen Periode von mehr als 20 Jahren mehrere Entwicklungsetappen, wo so bedeutsame Ereignisse vor sich gingen wie die Niederlage der Revolution von 1911, die Errichtung der Herrschaft der Militärmachthaber des Nordens, die Herstellung der ersten nationalen Einheitsfront und die Revolution von 1924-1927, der Bruch der Einheitsfront und der Obergang der Bourgeoisie ins Lager der Konterrevolution, die Kriege der neuen Militärmachthaber untereinander, der Agrarrevolutionäre Krieg, die Bildung der zweiten nationalen Einheitsfront und der Widerstandskrieg gegen die japanische Aggression. Diese Entwicklungsetappen waren durch besondere Umstände gekennzeichnet, wie dadurch, daß sich gewisse Widersprüche verschärften (z.B. der Agrarrevolutionäre Krieg und der Einfall Japans in die vier nordöstlichen Provinzen[18]), andere teilweise oder zeitweilig gelöst wurden (z.B. die Liquidierung der Militärmachthaber des Nordens und die von uns durchgeführte Beschlagnahme des Bodens der Grundherren), wieder andere neu entstanden (z.B. der Kampf zwischen den neuen Militärmachthabern, die Rücknahme des enteigneten Bodens durch die Grundherren, nachdem wir die revolutionären Stützpunktgebiete in Südchina verloren hatten), usw.
Beim Studium der Besonderheiten der Widersprüche in den einzelnen Etappen des Entwicklungsprozesses eines Dinges genügt es nicht, die Widersprüche in ihrer wechselseitigen Verbundenheit oder in ihrer Gesamtheit zu betrachten; man muß sich in jeder Entwicklungsetappe auch die beiden Seiten eines jeden Widerspruchs ansehen.
Nehmen wir beispielsweise die Kuomintang und die Kommunistische Partei. Zunächst die Kuomintang als die eine Seite. In der Periode der ersten Einheitsfront war die Kuomintang, da sie die drei politischen Hauptrichtlinien Sun Yat-sens – Bündnis mit Rußland, Bündnis mit der Kommunistischen Partei und Unterstützung der Arbeiter und Bauern – durchführte, revolutionär, hatte sie Lebenskraft und verkörperte sie das Bündnis verschiedener Klassen für die demokratische Revolution. Nach 1927 verwandelte sich die Kuomintang in ihr Gegenteil, sie wurde zu einem reaktionären Block der Grundherren und der Großbourgeoisie. Nach den Sian-Ereignissen im Dezember 1936[19] setzte in der Kuomintang abermals eine Wendung ein, und zwar in der Richtung auf Beendigung des Bürgerkriegs und auf ein Bündnis mit der Kommunistischen Partei für den gemeinsamen Kampf gegen den japanischen Imperialismus. Das sind die Besonderheiten der Kuomintang in diesen drei Stadien. Das Auftreten dieser Besonderheiten wurde selbstverständlich durch eine Reihe von Ursachen bewirkt. Nun die andere Seite: die Kommunistische Partei Chinas. In der Periode der ersten Einheitsfront steckte sie noch in den Kinderschuhen und bekundete, obwohl sie die Revolution von 1924-1927 heldenhaft leitete, ihre Unreife in bezug auf das Verständnis des Charakters, der Aufgaben und der Methoden der Revolution. Infolgedessen konnte der Tschenduhsiuismus[20], der in der letzten Periode dieser Revolution aufkam, seine Rolle spielen, und dadurch wurde die Niederlage der Revolution herbeigeführt. Seit 1927 leitete die Partei heroisch den Agrarrevolutionären Krieg und schuf eine revolutionäre Armee und revolutionäre Stützpunktgebiete; sie beging aber auch Fehler, die den Charakter des Abenteurertums trugen und zur Folge hatten, daß der Armee und den Stützpunktgebieten sehr schwere Verluste zugefügt wurden. 1935 begann die Kommunistische Partei diese Fehler zu überwinden, nahm die Führung der neuen, antijapanischen Einheitsfront in die Hand, und dieser große Kampf ist derzeit gerade in der Entwicklung begriffen. Im gegenwärtigen Stadium ist die Kommunistische Partei eine Partei, die bereits die Prüfungen zweier Revolutionen hinter sich hat und über reiche Erfahrungen verfügt. Das sind die Besonderheiten der Kommunistischen Partei Chinas in diesen drei Stadien. Das Auftreten dieser Besonderheiten wurde gleichfalls durch eine Reihe von Ursachen bewirkt. Ohne diese Besonderheiten der beiden Seiten zu studieren, ist es unmöglich, die besonderen Wechselbeziehungen zwischen der Kuomintang und der Kommunistischen Partei in den verschiedenen Stadien ihrer Entwicklung zu verstehen: Bildung der Einheitsfront, Bruch der Einheitsfront, Herstellung der neuen Einheitsfront. Um aber die einzelnen Besonderheiten dieser beiden Parteien zu studieren, muß man, was noch fundamentaler ist, ihre Klassenbasis sowie die in den verschiedenen Zeitperioden auf dieser Grundlage entstandenen Widersprüche zwischen jeder dieser Parteien und anderen Faktoren studieren. So stand zum Beispiel die Kuomintang in der Periode ihres ersten Bündnisses mit der Kommunistischen Partei einerseits im Widerspruch zu den ausländischen Imperialisten, weshalb sie auch gegen den Imperialismus auftrat, und andererseits im Widerspruch zu den Volksmassen im eigenen Land: Obwohl sie mit Worten den Werktätigen sehr viel Gutes versprach, gab sie ihnen jedoch tatsächlich nur sehr wenig oder buchstäblich nichts. In der Periode des Krieges, den sie gegen die Kommunisten führte, kämpfte sie im Bunde mit dem Imperialismus und dem Feudalismus gegen die Volksmassen, hob mit einem Federstrich alle Rechte auf, die sich die Volksmassen in der Revolution erobert hatten, und verschärfte so ihren Widerspruch zu ihnen. Jetzt, in der Periode des Widerstandskriegs gegen die japanische Aggression, steht die Kuomintang im Widerspruch zum japanischen Imperialismus und will mit der Kommunistischen Partei zusammenarbeiten; zugleich läßt sie aber nicht nach, die Kommunistische Partei und das Volk zu bekämpfen und zu unterdrücken. Die Kommunistische Partei hingegen steht in jeder Periode immer an der Seite der Volksmassen im Kampf gegen Imperialismus und Feudalismus; in der gegenwärtigen Periode des Widerstandskriegs hat sie jedoch eine gemäßigte Politik gegenüber der Kuomintang und den einheimischen Feudalkräften eingeleitet, da sich die Kuomintang für den Widerstand gegen die japanische Aggression ausgesprochen hat. Alle diese Umstände ergeben, daß zwischen diesen beiden Parteien einmal ein Bündnis geschlossen wird, ein andermal der Kampf entbrennt, wobei sich selbst in den Perioden des Bündnisses eine komplizierte Situation herausbildet, da Bündnis und Kampf gleichzeitig existieren. Ohne die Besonderheiten der beiden Seiten des Widerspruchs zu studieren, können wir weder die Beziehungen jeder dieser Parteien mit anderen Faktoren noch die Wechselbeziehungen zwischen den beiden Parteien selbst verstehen.
Daraus folgt, daß bei dem Studium der Besonderheiten beliebiger Widersprüche – der Widersprüche in jeder Bewegungsform der Materie, der Widersprüche in jedem Entwicklungsprozeß einer jeden Bewegungsforrn, der beiden Seiten eines jeden Widerspruchs in diesen oder jenen Entwicklungsprozessen, der Widersprüche in den verschiedenen Etappen jedes Entwicklungsprozesses und der beiden Seiten jedes der Widersprüche in den einzelnen Etappen-, daß beim Studium aller dieser Besonderheiten der Widersprüche subjektive Willkür unzulässig ist und eine konkrete Analyse vorgenommen werden muß. Ohne eine konkrete Analyse ist es unmöglich, die Besonderheiten irgendeines Widerspruchs zu erkennen. Wir müssen immer an die Worte Lenins denken: konkrete Analyse einer konkreten Situation.
Marx und Engels waren die ersten, die uns ausgezeichnete Beispiele einer solchen konkreten Analyse gaben.
Als Marx und Engels das Gesetz des den Dingen innewohnenden Widerspruchs auf das Studium des gesellschaftlich-historischen Prozesses anwandten, erkannten sie den Widerspruch zwischen den Produktivkräften und den Produktionsverhältnissen, den Widerspruch zwischen den Ausbeuterklassen und den Klassen der Ausgebeuteten sowie den dadurch hervorgerufenen Widerspruch zwischen der ökonomischen Basis und ihrem Überbau (Politik, Ideologie usw.). Und sie fanden heraus, daß diese Widersprüche in den verschiedenen Klassengesellschaften unvermeidlich zu sozialen Revolutionen verschiedener Art führen.
Als Marx dieses Gesetz auf das Studium der ökonomischen Struktur der kapitalistischen Gesellschaft anwandte, entdeckte er, daß der grundlegende Widerspruch dieser Gesellschaft der Widerspruch zwischen dem gesellschaftlichen Charakter der Produktion und dem privaten Charakter der Aneignung ist. Dieser Widerspruch tritt im Widerspruch zwischen dem organisierten Charakter der Produktion in den einzelnen Betrieben und dem unorganisierten Charakter der Produktion in der Gesellschaft als Ganzem zutage. In den Beziehungen der Klassen bekundet sich dieser Widerspruch als Widerspruch zwischen Bourgeoisie und Proletariat. Infolge der außerordentlichen Vielfalt der Dinge und der Unbegrenztheit ihrer Entwicklung verwandelt sich das, was in einem bestimmten Fall das Allgemeine ist, in einem anderen bestimmten Fall in das Besondere. Umgekehrt: was in einem bestimmten Fall das Besondere ist, wird in einem anderen bestimmten Fall zum Allgemeinen. Der dem kapitalistischen System innewohnende Widerspruch zwischen der Vergesellschaftung der Produktion und dem Privateigentum an den Produktionsmitteln ist allen Ländern gemeinsam, in denen der Kapitalismus existiert und sich entwickelt; für den Kapitalismus ist das der allgemeine Charakter des Widerspruchs. Doch stellt der erwähnte Widerspruch des Kapitalismus eine Erscheinung dar, die nur einer bestimmten historischen Periode der Entwicklung der Klassengesellschaft überhaupt eigen ist, und vom Gesichtspunkt des Widerspruchs zwischen Produktivkräften und Produktionsverhältnissen in der Klassengesellschaft überhaupt offenbart sich hierin die Besonderheit des Widerspruchs. Aber dadurch, daß Marx die Besonderheit aller Widersprüche der kapitalistischen Gesellschaft herausarbeitete, hat er noch weitgehender, noch umfassender, noch vollständiger den allgemeinen Charakter des Widerspruchs zwischen Produktivkräften und Produktionsverhältnissen in der Klassengesellschaft überhaupt klargestellt.
Infolge der Tatsache, daß das Besondere mit dem Allgemeinen verbunden ist, daß jedem Ding nicht nur der besondere, sondern auch der allgemeine Charakter des Widerspruchs innewohnt, und daß die Allgemeinheit in der Besonderheit existiert, muß man beim Studium eines bestimmten Dinges diese beiden Aspekte und ihre wechselseitige Verbundenheit aufdecken, muß man das Besondere und das Allgemeine im Innern eines Dinges und die wechselseitige Verbundenheit dieser beiden Aspekte sowie den Zusammenhang zwischen dem betreffenden Ding und den zahlreichen anderen Dingen außerhalb seiner selbst aufdecken. In seinem berühmten Werk Über die Grundlagen des Leninismus analysiert Stalin bei der Darlegung der historischen Wurzeln des Leninismus die internationale Situation, in der der Leninismus entstanden ist, sowie die Widersprüche des Kapitalismus, die unter den Bedingungen des Imperialismus ihren Kulminationspunkt erreicht haben; er zeigt gleichzeitig, wie diese Widersprüche dazu geführt haben, daß die proletarische Revolution zu einer Frage der unmittelbaren Praxis geworden ist und daß günstige Bedingungen für einen direkten Sturm auf den Kapitalismus geschaffen worden sind. Mehr noch, er zeigt durch seine Analyse, warum Rußland zur Wiege des Leninismus wurde, warum das zaristische Rußland damals der Konzentrationspunkt aller Widersprüche des Imperialismus war und warum gerade das russische Proletariat zur Avantgarde des internationalen revolutionären Proletariats werden konnte. Indem Stalin also das Allgemeine der Widersprüche analysiert, die dem Imperialismus innewohnen, zeigt er, daß der Leninismus der Marxismus der Epoche des Imperialismus und der proletarischen Revolution ist; indem er gleichzeitig die Besonderheit dieser allgemeinen Widersprüche, die dem Imperialismus des zaristischen Rußland eigentümlich war, analysiert, macht er klar, daß Rußland die Heimat der Theorie und Taktik der proletarischen Revolution wurde und daß die Allgemeinheit der Widersprüche gerade in dieser Besonderheit enthalten ist. Diese Stalinsche Analyse ist für uns ein Musterbeispiel der Erkenntnis der Besonderheit und der Allgemeinheit in den Widersprüchen und ihrer wechselseitigen Verbundenheit.
Marx und Engels sowie auch Lenin und Stalin haben in der Frage, wie die Dialektik auf das Studium objektiver Erscheinungen angewandt werden sollte, stets darauf hingewiesen, daß jede subjektive Willkür unzulässig ist, daß man von den konkreten Bedingungen, die der realen objektiven Bewegung innewohnen, ausgehen muß, um in diesen Erscheinungen die konkreten Widersprüche, die konkrete Stellung der beiden Seiten jedes Widerspruchs und die konkreten Wechselbeziehungen zwischen den Widersprüchen aufzufinden. Gerade weil unseren Dogmatikern ein solches Herangehen fremd ist, erleiden sie ständig Schiffbruch. Wir müssen aus der Niederlage der Dogmatiker die Lehren ziehen und diese Methode des wissenschaftlichen Herangehens an die Dinge meistern, denn dies ist die einzig richtige Forschungsmethode.
Die Beziehung zwischen der Allgemeinheit und der Besonderheit des Widerspruchs ist die Beziehung zwischen dem Gemeinsamen und dem Einzelnen im Widerspruch. Das Gemeinsame besteht darin, daß Widersprüche in allen Prozessen existieren, daß sie alle Prozesse von Anfang bis Ende durchdringen: Widerspruch – das ist die Bewegung, das Ding, der Prozeß und auch das Denken. Den Widerspruch in den Dingen verneinen hieße alles verneinen. Das ist eine allgemeine Wahrheit, gültig für alle Zeiten und alle Länder ohne Ausnahme. Hieraus entsteht der Charakter des Gemeinsamen, des Absoluten. Dieses Gemeinsame ist aber in allem Einzelnen enthalten, ohne das Einzelne kann es kein Gemeinsames geben. Kann das Gemeinsame bestehen, wenn alles Einzelne ausgeschlossen wird? Das Einzelne entsteht dadurch, daß jeder Widerspruch seine Besonderheit hat. Alles Einzelne ist bedingt, zeitweilig und daher relativ.
Diese Wahrheit vom Gemeinsamen und Einzelnen, Absoluten und Relativen ist die Quintessenz des Problems der den Dingen innewohnenden Widersprüche; diese Wahrheit nicht verstehen heißt die Dialektik ablehnen.
IV. Der Hauptwiderspruch und die hauptsächliche Seite des Widerspruchs
Hinsichtlich des Problems der Besonderheit des Widerspruchs gibt es noch zwei Punkte, die einer speziellen Analyse bedürfen: den Hauptwiderspruch und die hauptsächliche Seite des Widerspruchs.
Im Entwicklungsprozeß eines komplexen Dinges gibt es eine ganze Reihe von Widersprüchen, unter denen stets einer der Hauptwiderspruch ist; seine Existenz und seine Entwicklung bestimmen oder beeinflussen die Existenz und die Entwicklung der anderen Widersprüche.
So bilden zum Beispiel in der kapitalistischen Gesellschaft die beiden gegensätzlichen Kräfte, Proletariat und Bourgeoisie, den Hauptwiderspruch. Die anderen Widersprüche wie zum Beispiel der Widerspruch zwischen den Überresten der Feudalklasse und der Bourgeoisie, der Widerspruch zwischen den bäuerlichen Kleineigentümern und der Bourgeoisie, der Widerspruch zwischen dem Proletariat und den bäuerlichen Kleineigentümern, der Widerspruch zwischen der nichtmonopolistischen und der monopolistischen Bourgeoisie, der Widerspruch zwischen der bürgerlichen Demokratie und dem Faschismus der Bourgeoisie, die Widersprüche unter den kapitalistischen Ländern, die Widersprüche zwischen dem Imperialismus und den Kolonien sowie alle übrigen Widersprüche – sie alle werden vom Hauptwiderspruch bestimmt, stehen unter seinem Einfluß.
In einem halbkolonialen Land wie China bieten die Beziehungen zwischen dem Hauptwiderspruch und den Nebenwidersprüchen ein kompliziertes Bild.
Im Falle eines Aggressionskriegs der Imperialisten gegen ein solches Land können sich seine verschiedenen Klassen – mit Ausnahme einer Handvoll Verräter an der Nation – zeitweilig zu einem nationalen Krieg gegen den Imperialismus zusammenschließen. Dann wird der Widerspruch zwischen dem Imperialismus und dem betreffenden Land zum Hauptwiderspruch, während alle Widersprüche zwischen den verschiedenen Klassen innerhalb dieses Landes (einschließlich des Hauptwiderspruchs unter ihnen, nämlich des Widerspruchs zwischen dem Feudalsystem und den Volksmassen) vorübergehend auf den zweiten Platz verwiesen sind und eine untergeordnete Stellung einnehmen. Das war in China der Fall während des Opiumkriegs von 1840[21], des Chinesisch-Japanischen Krieges von 1894[22] sowie des Yihotuan-Krieges von 1900 und ist auch während des gegenwärtigen Chinesisch-Japanischen Krieges der Fall.
In einer anderen Situation vertauschen jedoch die Widersprüche ihren Platz. Wenn der Imperialismus zur Unterdrückung des halbkolonialen Landes nicht zu den Mitteln des Krieges greift, sondern sich milderer Formen – wie politischer, wirtschaftlicher und kultureller – bedient, werden die herrschenden Klassen dieses Landes vor dem Imperialismus kapitulieren, und es kommt zwischen ihnen zu einem Bündnis für die gemeinsame Unterdrückung der Volksmassen. In diesem Fall nehmen die Volksmassen häufig Zuflucht zum Bürgerkrieg als Form des Kampfes gegen das Bündnis zwischen dem Imperialismus und der Feudalklasse, während der Imperialismus, statt zu einer direkten Aktion zu greifen, sich oft indirekter Mittel bedient, um die reaktionären Kräfte in diesem halbkolonialen Land bei der Unterdrückung des Volkes zu unterstützen, was eine besondere Verschärfung der inneren Widersprüche an den Tag legt. Eine solche Situation war in China kennzeichnend für den Revolutionskrieg von 1911, für den revolutionären Krieg von 1924-1927 und den folgenden zehnjährigen Agrarrevolutionären Krieg. Eine analoge Lage ist auch bei den internen Kriegen zwischen den verschiedenen reaktionären herrschenden Cliquen in halbkolonialen Ländern zu beobachten, zum Beispiel bei den Fehden zwischen den Militärmachthabern in China.
Wenn sich der revolutionäre Bürgerkrieg derart entwickelt, daß er die Existenz des Imperialismus und seiner Lakaien, der einheimischen Reaktion, in ihren Grundlagen bedroht, dann greift der Imperialismus oft zu anderen Mitteln, um seine Herrschaft aufrechtzuerhalten: entweder sucht er die revolutionäre Front zu spalten, oder er interveniert unmittelbar mit seinen eigenen Streitkräften, um der einheimischen Reaktion zu helfen. In diesem Fall entsteht zwischen dem Imperialismus und der einheimischen Reaktion, die sich offen zusammentun, auf dem einen Pol und den Volksmassen auf dem anderen Pol der Hauptwiderspruch, der die Entwicklung der anderen Widersprüche bestimmt oder beeinflußt. Ein Beispiel für eine solche bewaffnete Intervention ist die Hilfe, die verschiedene kapitalistische Länder den Reaktionären Rußlands nach der Oktoberrevolution erwiesen haben. Ein Beispiel für die Spaltung der revolutionären Front ist der Verrat Tschiang Kai-scheks im Jahre 1927.
Jedenfalls steht es ganz außer Zweifel, daß es in jeder Etappe eines Entwicklungsprozesses nur einen einzigen Hauptwiderspruch gibt, der die führende Rolle spielt.
Hieraus folgt: Wenn ein Prozeß mehrere Widersprüche enthält, muß einer von ihnen der Hauptwiderspruch sein, der die führende und entscheidende Rolle spielt, während die übrigen nur eine sekundäre, untergeordnete Stellung einnehmen. Infolgedessen muß man sich beim Studium eines komplizierten Prozesses, der zwei oder noch mehr Widersprüche enthält, die größte Mühe geben, den Hauptwiderspruch herauszufinden. Sobald dieser festgestellt ist, kann man alle Probleme leicht lösen. Das ist die Methode, die uns Marx in seiner Untersuchung der kapitalistischen Gesellschaft vordemonstriert hat. Lenin und Stalin zeigten uns die Anwendung eben dieser Methode, als sie den Imperialismus und die allgemeine Krise des Kapitalismus sowie die Wirtschaft der Sowjetunion untersuchten. Tausende und aber Tausende Gelehrte und Praktiker verstehen diese Methode nicht; das Ergebnis ist, daß sie in einem dichten Nebel umherirren, vergeblich nach dem Hauptkettenglied suchen und daher auch die Methode zur Lösung der Widersprüche nicht finden können.
Es wurde schon oben gesagt, daß man nicht auf die gleiche Weise an alle in einem Prozeß vorhandenen Widersprüche herangehen darf, daß man den Hauptwiderspruch von den Nebenwidersprüchen unterscheiden muß, wobei das wichtigste ist, den Hauptwiderspruch zu erfassen. Kann man aber in gleicher Weise an die beiden gegensätzlichen Seiten eines Widerspruchs, sei es nun der Hauptwiderspruch, sei es ein Nebenwiderspruch, herangehen? Nein, das kann man auch nicht. Die Seiten eines jeden Widerspruchs entwickeln sich ungleichmäßig. Zuweilen scheint es, daß zwischen ihnen ein Gleichgewicht besteht; doch dieses ist nur vorübergehend und relativ, während die ungleichmäßige Entwicklung das Grundlegende bleibt. Von den beiden Seiten des Widerspruchs ist die eine unweigerlich die hauptsächliche, die andere die sekundäre Seite. Die hauptsächliche Seite ist jene, die im Widerspruch die führende Rolle spielt. Der Charakter eines Dinges wird im wesentlichen durch die Hauptseite des Widerspruchs bestimmt, die eine dominierende Stellung einnimmt.
Diese Lage ist aber nicht unveränderlich: die hauptsächliche Seite und die sekundäre Seite des Widerspruchs gehen ineinander über, worauf sich auch der Charakter des Dinges entsprechend ändert. Wenn in einem bestimmten Entwicklungsprozeß oder in einer bestimmten Entwicklungsetappe eines Widerspruchs dessen hauptsächliche Seite A ist und seine sekundäre B, so vertauschen die beiden Seiten in einer anderen Entwicklungsetappe oder in einem anderen Entwicklungsprozeß ihre Stellung zueinander, was durch den Grad der Vermehrung bzw. Verminderung der Kräfte der beiden widerstreitenden Seiten des Widerspruchs im Verlauf der Entwicklung des Dinges bestimmt ist.
Wir sagen oft: „Das Neue löst das Alte ab.“ Das ist ein allgemeines und ewig unumstößliches Gesetz des Weltalls. Der Prozeß der Ablösung des Alten durch das Neue vollzieht sich so, daß ein Ding in ein anderes durch einen Sprung übergeht, der je nach dem Charakter des Dinges selbst und den Bedingungen, unter denen es sich befindet, verschiedene Formen hat. jedes Ding birgt in sich den Widerspruch zwischen seinen zwei Seiten – dem Neuen und dem Alten –, der eine Reihe von Kämpfen mit vielen Windungen und Wendungen hervorbringt. Im Verlauf dieser Kämpfe wächst das Neue vom Kleinen zum Großen und gewinnt schließlich die beherrschende Position, während das Alte vom Großen zum Kleinen schrumpft und seinem Untergang entgegengeht. Sobald das Neue die Oberhand über das Alte erhält, wandelt sich das alte Ding qualitativ in das neue Ding um. Daraus folgt, daß der Charakter eines Dinges im wesentlichen durch die hauptsächliche Seite des Widerspruchs bestimmt wird, die die dominierende Stellung einnimmt. Tritt in der die beherrschende Position einnehmenden hauptsächlichen Seite des Widerspruchs ein Wechsel ein, so ändert sich dementsprechend der Charakter des Dinges.
Der Kapitalismus, der in der alten, feudalen Gesellschaft eine untergeordnete Stellung eingenommen hatte, wurde in der kapitalistischen Gesellschaft zur dominierenden Kraft, dementsprechend veränderte sich auch der Charakter der Gesellschaft: Die Feudalgesellschaft verwandelte sich in die kapitalistische Gesellschaft. Die Feudalkräfte hingegen, die in der Vergangenheit die vorherrschenden gewesen waren, wurden in der Epoche der neuen, kapitalistischen Gesellschaft zu untergeordneten Kräften, die allmählich ihrem Ende entgegengehen. So geschah es zum Beispiel in England und Frankreich. Mit der Entwicklung der Produktivkräfte verwandelt sich die Bourgeoisie aus einer neuen Klasse, die eine fortschrittliche Rolle gespielt hat, in eine alte Klasse, die eine reaktionäre Rolle spielt, bis sie schließlich vom Proletariat gestürzt und in eine entmachtete Klasse, deren private Produktionsmittel enteignet sind, verwandelt wird; sie geht dann ebenfalls mit der Zeit zugrunde. Das Proletariat, das der Bourgeoisie zahlenmäßig weit überlegen ist und zugleich mit ihr wächst, aber unter ihrer Herrschaft steht, bildet eine neue Kraft, die in der Anfangsperiode von der Bourgeoisie abhängig ist, dann jedoch allmählich erstarkt, bis es sich zu einer unabhängigen, die führende Rolle in der Geschichte spielenden Klasse erhebt, die schließlich die Macht ergreift und zur herrschenden Klasse wird. Dementsprechend ändert sich der Charakter der Gesellschaft: Die alte, kapitalistische verwandelt sich in die neue, sozialistische Gesellschaft. Das ist der Weg, den die Sowjetunion schon gegangen ist und den unweigerlich alle anderen Länder gehen werden.
Wenn wir z.B. China betrachten, so nimmt der Imperialismus in dem Widerspruch, durch welchen China in eine Halbkolonie verwandelt wurde, die Hauptposition ein; der Imperialismus unterdrückt das chinesische Volk, und China ist aus einem unabhängigen zu einem halbkolonialen Land geworden. Doch wird sich die Lage unvermeidlich ändern: Im Zuge des Kampfes werden die Kräfte des chinesischen Volkes, die unter der Führung des Proletariats wachsen, unweigerlich das halbkoloniale China zu einem unabhängigen Staat machen und den Imperialismus besiegen, das alte China wird sich unausbleiblich in ein neues China verwandeln.
Die Verwandlung des alten China in ein neues China schließt auch einen Wandel im Verhältnis zwischen den alten Kräften des Feudalismus und den neuen Kräften des Volkes im Land ein. Die alte feudale Grundherrenklasse wird gestürzt werden, sich aus der herrschenden in eine beherrschte Klasse verwandeln und ebenfalls allmählich untergehen. Die Volksmassen aber werden unter der Führung des Proletariats von Beherrschten zu Herrschenden werden. Dementsprechend wird sich der Charakter der chinesischen Gesellschaft ändern. Die alte, halbkoloniale und halbfeudale Gesellschaft wird sich in eine neue, demokratische Gesellschaft verwandeln.
Derart gegenseitige Umwandlungen haben sich schon in der Vergangenheit vollzogen. Die Tjing-Dynastie, die fast dreihundert Jahre China regiert hatte, wurde in der Revolution von 1911 gestürzt, und die von Sun Yat-sen geleitete Revolutionäre Liga errang einen zeitweiligen Sieg. Im revolutionären Krieg von 1924-1927 wurden die vereinigten revolutionären Kräfte der Kommunistischen Partei und der Kuomintang im Süden Chinas aus schwachen zu mächtigen Kräften und siegten im Nordfeldzug, während die Militärmachthaber des Nordens, die eine Zeitlang hatten schalten und walten können, gestürzt wurden. 1927 wurden die von der Kommunistischen Partei geführten Volkskräfte unter den Schlägen der reaktionären Kräfte der Kuomintang zahlenmäßig sehr geschwächt; nachdem sie aber ihre Reihen vom Opportunismus gesäubert hatten, begannen sie wieder nach und nach zu wachsen und zu erstarken. In den von der Kommunistischen Partei geleiteten revolutionären Stützpunktgebieten wurden die Bauern aus Beherrschten zu Herrschenden, während die Grundherren eine umgekehrte Wandlung durchmachten. So geht es stets in der Welt vor sich: Das Neue ersetzt das Alte, das Neue löst das Alte ab, das Alte wird vom Neuen verdrängt oder das Neue wächst aus dem Alten heraus.
Im revolutionären Kampf gewinnen manchmal die ungünstigen Bedingungen die Oberhand über die günstigen Bedingungen; dann sind die Schwierigkeiten die Hauptseite des Widerspruchs, und die günstigen Bedingungen rücken auf den zweiten Platz. Dank ihren Anstrengungen gelingt es jedoch den Revolutionären, Schritt für Schritt der Schwierigkeiten Herr zu werden und eine neue, günstige Situation zu schaffen; an die Stelle der ungünstigen Situation tritt also eine günstige Situation. So war es in China nach der Niederlage der Revolution im Jahre 1927, so war es auch mit der Roten Armee Chinas während des Langen Marsches. Im gegenwärtigen Chinesisch-Japanischen Krieg befindet sich China abermals in einer schwierigen Lage; aber wir können das ändern, wir können eine radikale Änderung der Lage der chinesischen und der japanischen Seite herbeiführen. Umgekehrt kann sich eine günstige Lage in eine ungünstige verwandeln, wenn die Revolutionäre Fehler machen. So verwandelte sich der in der Revolution von 1924-1927 errungene Sieg in eine Niederlage. 1934 erfuhren alle in mehreren Provinzen Südchinas nach 1927 errichteten revolutionären Stützpunktgebiete Niederlagen.
Dasselbe gilt für den Widerspruch, der sich beim Studium in der Bewegung vom Nichtwissen zum Wissen kundtut. Wenn wir erst beginnen, den Marxismus zu studieren, dann besteht ein Widerspruch zwischen unserer Unkenntnis oder lediglich beschränkten Kenntnis des Marxismus und der Kenntnis des Marxismus. Durch eifriges Studium kann man aber erreichen, daß sich Nichtwissen in Wissen, geringe Kenntnisse in reiche Kenntnisse, Hilflosigkeit bei der Anwendung des Marxismus in Meisterung seiner Anwendung verwandeln.
Manche Leute denken, es gäbe Widersprüche, auf die das nicht zuträfe. Wenn zum Beispiel in dem Widerspruch zwischen Produktivkräften und Produktionsverhältnissen die hauptsächliche Seite die Produktivkräfte sind, in dem Widerspruch zwischen Theorie und Praxis – die Praxis, in dem Widerspruch zwischen der ökonomischen Basis und dem Überbau – die ökonomische Basis, so fände hier angeblich kein Platzwechsel zwischen den beiden Seiten des Widerspruchs statt. Diese Auffassung ist kennzeichnend für den mechanischen Materialismus und nicht für den dialektischen Materialismus. Selbstverständlich spielen die Produktivkräfte, die Praxis und die ökonomische Basis im allgemeinen die hauptsächliche, entscheidende Rolle, und wer das leugnet, ist kein Materialist. Man muß jedoch auch anerkennen, daß unter bestimmten Bedingungen die Produktionsverhältnisse, die Theorie und der Überbau an die Reihe kommen können, die entscheidende, die Hauptrolle zu spielen. Wenn sich ohne eine Änderung der Produktionsverhältnisse die Produktivkräfte nicht weiter entwickeln können, dann spielt die Änderung der Produktionsverhältnisse die hauptsächliche, entscheidende Rolle. Wenn Lenins Worte „Ohne revolutionäre Theorie kann es auch keine revolutionäre Bewegung geben“[23] unmittelbare Aktualität erlangen, dann spielt die Schaffung und Verbreitung der revolutionären Theorie die hauptsächliche, die entscheidende Rolle. Wenn irgendeine Aufgabe zu lösen ist (gleichgültig welche), diesbezüglich aber noch kein politischer Kurs, keine Methode, kein Plan, keine Richtlinie vorhanden ist, dann wird die Ausarbeitung des entsprechenden politischen Kurses, der Methode, des Planes oder der Richtlinie zum Hauptsächlichen, Entscheidenden. Wenn der Überbau (Politik, Kultur usw.) die Entwicklung der ökonomischen Basis behindert, dann werden politische und kulturelle Umgestaltungen zum Hauptsächlichen, Entscheidenden. Verstoßen wir mit diesen Feststellungen gegen den Materialismus? Keineswegs, denn wir erkennen an, daß im Gesamtverlauf der historischen Entwicklung das Geistige vom Materiellen, das gesellschaftliche Bewußtsein vom gesellschaftlichen Sein bestimmt wird; doch gleichzeitig erkennen wir an und müssen wir anerkennen, daß das Geistige auf das Materielle, das gesellschaftliche Bewußtsein auf das gesellschaftliche Sein, der Überbau auf die ökonomische Basis zurückwirkt. Damit verstoßen wir nicht gegen den Materialismus, sondern wir lehnen den mechanischen Materialismus ab und verteidigen den dialektischen Materialismus.
Wenn man beim Studium der Besonderheit des Widerspruchs darauf verzichtet, diese beiden Verhältnisse – Hauptwiderspruch und Nebenwidersprüche in einem Prozeß bzw. hauptsächliche und sekundäre Seite eines Widerspruchs – zu untersuchen, das heißt, wenn man es unterläßt, den unterschiedlichen Charakter der beiden Widerspruchsverhältnisse zu studieren, dann verliert man sich in Abstraktionen und ist außerstande, konkret zu begreifen, was mit den Widersprüchen vor sich geht; folglich ist man auch nicht in der Lage, die richtige Methode zur Lösung der Widersprüche zu finden. Dieser unterschiedliche oder besondere Charakter der beiden Widerspruchsverhältnisse erklärt sich aus der Ungleichmäßigkeit der Widerspruchskräfte. Es gibt nichts in der Welt, das sich in absoluter Gleichmäßigkeit entwickeln würde, und wir müssen die Theorie der gleichmäßigen Entwicklung oder die Gleichgewichtstheorie bekämpfen. Zugleich tritt gerade in diesen konkreten Verhältnissen der Widersprüche sowie in den Veränderungen der hauptsächlichen und der sekundären Seite des Widerspruchs im Laufe des Entwicklungsprozesses die Kraft des Neuen zutage, das Alte abzulösen. Das Studium der verschiedenen Zustände der Ungleichmäßigkeit in der Entwicklung der Widersprüche, das Studium des Hauptwiderspruchs und der Nebenwidersprüche sowie der hauptsächlichen und der sekundären Seite im Widerspruch ist eine wichtige Methode, mit deren Hilfe eine revolutionäre Partei ihre politische und militärische Strategie und Taktik richtig festlegt; diesem Studium müssen alle Kommunisten ihre Aufmerksamkeit zuwenden.
V. Identität und Kampf der gegensätzlichen Seiten des Widerspruchs
Nachdem wir die Fragen der Allgemeinheit und der Besonderheit des Widerspruchs geklärt haben, müssen wir dazu übergehen, das Problem der Identität und des Kampfes der gegensätzlichen Seiten im Widerspruch zu untersuchen.
Identität, Einheit, Übereinstimmung, gegenseitige Infiltration, gegenseitige Durchdringung, wechselseitige Abhängigkeit (oder wechselseitige Bedingtheit), wechselseitige Verbundenheit oder wechselseitiges Zusammenwirken – all das sind verschiedene Ausdrücke für ein und denselben Begriff, der sich auf folgende zwei Umstände bezieht: 1. Im Entwicklungsprozeß der Dinge setzt jede der beiden Seiten des jeweiligen Widerspruchs die Existenz der anderen, ihr entgegengesetzten Seite als Bedingung ihrer eigenen Existenz voraus, wobei beide Seiten in einer Einheit koexistieren. 2. Jede der beiden entgegengesetzten Seiten verwandelt sich unter bestimmten Bedingungen in ihr Gegenteil. Eben das heißt Identität.
Lenin sagt:
„Dialektik ist die Lehre, wie die Gegensätze identisch sein können und es sind (wie sie es werden) – unter welchen Bedingungen sie identisch sind, indem sie sich ineinander verwandeln –, warum der menschliche Verstand diese Gegensätze nicht als tote, erstarrte, sondern als lebendige, bedingte, bewegliche, sich ineinander verwandelnde auffassen soll.“[24]
Was ist der Sinn dieser Worte Lenins?
In allen Prozessen schließen die gegensätzlichen Seiten an und für sich einander aus, liegen im Kampf miteinander, stehen einander entgegen. Sowohl in den Entwicklungsprozessen aller Dinge als auch im menschlichen Denken sind solche gegensätzlichen Seiten vorhanden; hiervon gibt es keine Ausnahmen. In einem einfachen Prozeß gibt es nur ein Gegensatzpaar, in einem komplizierten Prozeß gibt es mehrere. Diese Gegensatzpaare geraten ihrerseits in Widerspruch zueinander. So sind alle Dinge in der objektiven Welt und das Denken des Menschen beschaffen, und so wird ihre Bewegung bewirkt.
Wenn dem so ist, dann sind die gegensätzlichen Seiten in höchstem Maße unidentisch, weit davon entfernt, eine Einheit zu bilden. Warum sprechen wir dann von ihrer Identität oder Einheit?
Die Sache ist die, daß die gegensätzlichen Seiten isoliert, ohneeinander nicht existieren können. Wenn eine der beiden entgegengesetzten Seiten fehlt, verschwinden zugleich die Existenzbedingungen der anderen Seite. Man überlege: Kann denn eine der gegensätzlichen Seiten eines Widerspruchs in den Dingen beziehungsweise in den Begriffen des menschlichen Bewußtseins für sich allein existieren? Ohne Leben kein Tod; ohne Tod kein Leben. Ohne Oben kein Unten; ohne Unten kein Oben. Ohne Unglück kein Glück; ohne Glück kein Unglück. Ohne Leichtes nichts Schwieriges; ohne Schwieriges nichts Leichtes. Ohne Grundherrn kein Pächter; ohne Pächter kein Grundherr. Ohne Bourgeoisie kein Proletariat; ohne Proletariat keine Bourgeoisie. Ohne nationale Unterdrückung durch die Imperialisten keine Kolonien und Halbkolonien; ohne Kolonien und Halbkolonien keine nationale Unterdrückung durch die Imperialisten. Und so verhält es sich mit allen Gegensätzen. Unter bestimmten Bedingungen sind sie einerseits einander entgegengesetzt; andererseits sind sie wiederum miteinander verbunden, voneinander durchdrungen, ineinander infiltriert, wechselseitig abhängig, und diesen Charakter nennt man Identität. Allen gegensätzlichen Seiten ist unter bestimmten Bedingungen eine Nicht-Identität eigentümlich, und darum nennt man sie Gegensätze. Gleichzeitig aber besteht zwischen ihnen eine Identität, und darum sind sie miteinander verbunden. Gerade darauf beziehen sich die Worte Lenins, daß die Dialektik erforscht, „wie die Gegensätze identisch sein können“. Wie können sie identisch sein? Eben durch die Tatsache, daß ihre Existenz wechselseitig bedingt ist. Das ist die erste Bedeutung von Identität.
Genügt es aber bloß zu sagen, daß die Existenz der beiden Seiten des Widerspruchs wechselseitig bedingt ist, daß zwischen ihnen eine Identität besteht und daß sie deshalb in einer Einheit koexistieren können? Nein, das genügt nicht. Damit, daß die beiden Seiten des Widerspruchs wechselseitig bedingt sind, hat es nicht sein Bewenden; noch wichtiger ist die Verwandlung der Gegensätze ineinander. Das bedeutet, daß sich jede der beiden einem Ding innewohnenden gegensätzlichen Seiten unter bestimmten Bedingungen in ihr Gegenteil verwandelt, daß sie die Position der ihr entgegengesetzten Seite einnimmt. Das ist die zweite Bedeutung des Begriffs Identität der Gegensätze.
Warum besteht denn hier auch eine Identität? Man beachte: Durch die Revolution wird das Proletariat von einer unterjochten Klasse zur herrschenden Klasse, während sich die Bourgeoisie, die bis dahin geherrscht hat, in eine Klasse verwandelt, die beherrscht wird und den Platz einnimmt, den ursprünglich ihr Widerpart innehatte. Solches hat sich bereits in der Sowjetunion vollzogen, und das gleiche wird in der ganzen Welt der Fall sein. Es fragt sich nun: Wie könnte denn ein solcher Wechsel vor sich gehen, wenn nicht zwischen diesen Gegensätzen unter bestimmten Bedingungen ein Zusammenhang und eine Identität bestünde?
Die Kuomintang, die in einem bestimmten Abschnitt der modernen Geschichte Chinas eine gewisse positive Rolle gespielt hatte, verwandelte sich dann infolge des ihr eigenen Klassencharakters und der Verlockungen des Imperialismus (das sind die Bedingungen) nach 1927 in eine konterrevolutionäre Partei, wurde aber durch die Verschärfung des chinesisch-japanischen Widerspruchs und durch die Einheitsfrontpolitik der Kommunistischen Partei (das sind die Bedingungen) gezwungen, sich für den Widerstand gegen Japan auszusprechen. Zwischen Gegensätzen, die sich ineinander verwandeln, besteht eine bestimmte Identität.
Unsere Agrarrevolution hatte folgenden Verlauf und wird ihn auch in Zukunft haben: die Grundherrenklasse, die den Boden besitzt, wird zu einer Klasse, die den Boden verloren hat, und die Bauern, die ihren Boden verloren hatten, werden zu Kleineigentümern, nachdem sie Grund und Boden erhalten haben. Haben und Nicht-Haben, Erwerb und Verlust sind unter bestimmten Bedingungen miteinander verbunden, zwischen ihnen besteht eine Identität. Unter den Bedingungen des Sozialismus wird sich wiederum das Privateigentum der Bauern in gesellschaftliches Eigentum der sozialistischen Landwirtschaft verwandeln; das ist in der Sowjetunion bereits geschehen und wird in der ganzen Welt geschehen. Vom Privateigentum führt eine Brücke zum gesellschaftlichen Eigentum; diese Brücke heißt in der Philosophie Identität oder Verwandlung des einen in das andere, gegenseitige Durchdringung.
Die Diktatur des Proletariats oder die Diktatur des Volkes festigen heißt eben die Voraussetzungen vorbereiten für die Liquidierung dieser Diktatur und für den Übergang auf eine höhere Stufe, wo jegliches Staatssystem abgeschafft wird. Die kommunistische Partei gründen und entwickeln heißt eben die Voraussetzungen für das Verschwinden der kommunistischen Partei wie aller politischen Parteien überhaupt vorbereiten. Eine von der kommunistischen Partei geleitete revolutionäre Armee schaffen und einen revolutionären Krieg führen heißt die Voraussetzungen für die endgültige Beseitigung aller Kriege vorbereiten. Das ist eine ganze Reihe von Gegensätzen, die gleichzeitig einander ergänzen.
Bekanntlich verwandeln sich Krieg und Frieden ineinander. Der Krieg verwandelt sich in den Frieden; so ging zum Beispiel der erste Weltkrieg in den Nachkriegsfrieden über; der Bürgerkrieg in China hat jetzt aufgehört, und an seine Stelle tritt der innere Frieden. Der Frieden verwandelt sich in den Krieg; 1927 verwandelte sich beispielsweise die Zusammenarbeit zwischen der Kuomintang und der Kommunistischen Partei in den Krieg; möglicherweise wird sich der heutige Friedenszustand in der Welt in einen zweiten Weltkrieg verwandeln. Warum geschieht das? Weil in der Klassengesellschaft zwischen solch gegensätzlichen Dingen wie Krieg und Frieden unter bestimmten Bedingungen eine Identität besteht.
Alle Gegensätze sind miteinander verbunden und koexistieren nicht nur unter bestimmten Bedingungen in einer Einheit, sondern gehen unter anderen bestimmten Bedingungen ineinander über; das ist eben die volle Bedeutung des Begriffs Identität der Gegensätze. Das ist es, was Lenin meint, wenn er davon spricht, „... wie die Gegensätze identisch sind (wie sie es werden) – unter welchen Bedingungen sie identisch sind, indem sie sich ineinander verwandeln ...“
Warum soll „der menschliche Verstand diese Gegensätze nicht als tote, erstarrte, sondern als lebendige, bedingte, bewegliche, sich ineinander verwandelnde auffassen“? Weil die objektiv existierenden Dinge tatsächlich so beschaffen sind. Die Einheit oder Identität der gegensätzlichen Seiten in einem objektiv existierenden Ding ist niemals tot, erstarrt, sondern lebendig, bedingt, beweglich, zeitweilig, relativ; alle Gegensätze verwandeln sich unter bestimmten Bedingungen in ihr Gegenteil; und die Widerspiegelung dieser Sachlage im menschlichen Denken stellt die marxistische dialektisch-materialistische Weltanschauung dar. Nur die reaktionären herrschenden Klassen der Gegenwart und Vergangenheit sowie die ihnen dienstbare Metaphysik betrachten die Gegensätze nicht als lebendig, bedingt, beweglich, sich ineinander verwandelnd, sondern als tot, erstarrt; sie propagieren allenthalben diese falsche Auffassung, um die Volksmassen irrezuführen und die eigene Herrschaft weiter aufrechtzuerhalten. Die Aufgabe der Kommunisten besteht darin, die falschen Auffassungen der Reaktionäre und Metaphysiker zu entlarven, die den Dingen innewohnende Dialektik zu propagieren, die Verwandlung der Dinge zu fördern und so die Ziele der Revolution zu erreichen.
Wenn wir sagen, daß die Gegensätze unter bestimmten Bedingungen identisch sind, so sprechen wir von den Gegensätzen, die real, konkret sind, und auch von ihrer realen, konkreten Verwandlung ineinander. Nehmen wir die zahllosen Verwandlungen, von denen die Mythen berichten – z.B. wie Kua Fu aus dem Buch Schanhaidjing der Sonne nachjagte[25], oder wie der Held Yi aus dem Buch Huainandsi mit seinem Bogen neun Sonnen abschoß[26], oder die 72 Verwandlungen des Affenkönigs Sun Wu-kung in dem Buch Die Pilgerfahrt nach dem Westen[27], oder die Verwandlung von Geistern und Füchsen in Menschen in vielen Erzählungen des Buches Liaodschaidschiyi[28] usw. –, so sind die wechselseitigen Verwandlungen der Gegensätze in diesen Mythen naiv und phantastisch, eine subjektive Einbildung der Menschen, Verwandlungen, die durch unzählige und komplizierte wechselseitige Verwandlungen von realen Gegensätzen angeregt wurden, jedoch keine konkreten Verwandlungen, in denen konkrete Widersprüche zum Ausdruck kommen. Marx sagt: „Alle Mythologie überwindet und beherrscht und gestaltet die Naturkräfte in der Einbildung und durch die Einbildung: verschwindet also mit der wirklichen Herrschaft über dieselben.“[29] Obwohl die Erzählungen der Mythologie (und auch der Märchen) von unzähligen Metamorphosen den Menschen Vergnügen bereiten können, weil sie die Beherrschung der Naturkräfte durch den Menschen usw. in der Einbildung zum Ausdruck bringen, wobei die besten unter ihnen, wie Marx sagt, „ewigen Reiz“ besitzen, entstanden die Mythen dennoch nicht auf Grund bestimmter Bedingungen konkreter Widersprüche und sind daher keine wissenschaftliche Widerspiegelung der Wirklichkeit. Das bedeutet, daß die gegensätzlichen Seiten, die in den Mythen und Märchen den Widerspruch bilden, keine konkrete Identität besitzen; ihre Identität besteht lediglich in der Einbildung. Die wissenschaftliche Widerspiegelung der Identität in den realen Verwandlungen – das ist die marxistische Dialektik.
Warum kann das Ei sich in ein Küken verwandeln, nicht aber ein Stein? Warum besteht zwischen Krieg und Frieden eine Identität, nicht aber zwischen Krieg und Stein? Warum kann ein Mensch nur Menschen zur Welt bringen und nichts anderes? Der Grund liegt einzig und allein darin, daß die Identität der Gegensätze nur unter bestimmten, unerläßlichen Bedingungen existiert. Ohne diese bestimmten, unerläßlichen Bedingungen kann es keine Identität geben.
Warum war die bürgerlich-demokratische Februarrevolution von 1917 in Rußland mit der proletarisch-sozialistischen Oktoberrevolution in demselben Jahr direkt verbunden, während die französische bürgerliche Revolution nicht direkt mit einer sozialistischen Revolution verbunden war und die Pariser Kommune[3][30] von 1871 mit einer Niederlage endete? Warum ist ihrerseits die Nomadenordnung in der Mongolei und in Mittelasien direkt mit dem Sozialismus verbunden? Warum kann die chinesische Revolution eine kapitalistische Perspektive vermeiden und direkt zum Sozialismus führen, ohne den alten historischen Weg der westlichen Länder zurückzulegen, ohne die Etappe der bürgerlichen Diktatur durchzumachen? Das alles erklärt sich einzig und allein aus den konkreten Bedingungen der jeweiligen Zeitperiode. Wenn die bestimmten notwendigen Bedingungen schon vorhanden sind, dann treten im Entwicklungsprozeß eines Dinges bestimmte Widersprüche auf, wobei die in diesen Widersprüchen enthaltenen Gegensätze (ein Paar oder mehrere) einander bedingen und sich ineinander verwandeln. Andernfalls wäre all das unmöglich.
So steht es mit der Frage der Identität. Was ist nun Kampf? In welcher Beziehung stehen Identität und Kampf?
Lenin sagt:
Die Einheit (Kongruenz, Identität, Wirkungsgleichheit) der Gegensätze ist bedingt, zeitweilig, vergänglich, relativ. Der Kampf der einander ausschließenden Gegensätze ist absolut, wie die Entwicklung, die Bewegung absolut ist.[31]
Was meint Lenin damit?
Daß alle Prozesse einen Anfang und ein Ende haben, daß sie sich alle in ihr Gegenteil verwandeln. Die Beständigkeit aller Prozesse ist relativ, während ihre Veränderlichkeit, die sich in der Verwandlung eines Prozesses in einen anderen kundtut, absolut ist.
Die Bewegung eines jeden Dinges äußert sich in zwei Zuständen: im Zustand relativer Ruhe und im Zustand offensichtlicher Veränderung. Diese sich in den beiden Zuständen äußernde Bewegung wird durch den Kampf verursacht, den die beiden im Ding enthaltenen gegensätzlichen Faktoren miteinander führen. Wenn die Bewegung des Dinges den ersten Zustand zeigt, dann macht das Ding nur quantitative Veränderungen durch und keine qualitativen; deshalb äußert sie sich in scheinbarer Ruhe. Nimmt aber die Bewegung den zweiten Zustand an, so haben die im ersten Zustand vor sich gegangenen quantitativen Veränderungen bereits einen bestimmten Kulminationspunkt erreicht, das Einheitliche hat sich daher aufgelöst, und es erfolgt eine qualitative Veränderung, deshalb äußert sich die Bewegung des Dinges in einer offensichtlichen Veränderung. Solche im Alltagsleben zu beobachtenden Erscheinungen wie Einheit, Geschlossenheit, Verbundenheit, Harmonie, Gleichgewicht, Stabilität, Stagnation, Stillstand, Beständigkeit, Gleichmäßigkeit, Kondensation, Anziehung usw. sind Erscheinungen von Dingen, die sich im Zustand quantitativer Veränderungen befinden. Auflösung des Einheitlichen, das heißt, die Störung des Zustands der Geschlossenheit, der Verbundenheit, der Harmonie, des Gleichgewichts, der Stabilität, der Stagnation, des Stillstands, der Beständigkeit, der Gleichmäßigkeit, der Kondensation, der Anziehung usw. und seine Verwandlung in den entgegengesetzten Zustand stellen dagegen Erscheinungen von Dingen dar, die sich im Zustand qualitativer Veränderungen befinden, Veränderungen, die beim Übergang eines Prozesses in einen anderen vor sich gehen. Die Dinge gehen unausgesetzt vom ersten in den zweiten Zustand über, wobei der Kampf der Gegensätze, der in beiden Zuständen vor sich geht, durch den zweiten Zustand zur Lösung des Widerspruchs führt. Deshalb sagt man, daß die Einheit der Gegensätze bedingt, zeitweilig, relativ ist, der Kampf der einander ausschließenden Gegensätze hingegen absolut.
Oben haben wir gesagt daß zwischen zwei gegensätzlichen Dingen eine Identität besteht und sie deshalb in einer Einheit miteinander koexistieren und sich auch ineinander verwandeln können; damit war die Bedingtheit gemeint, das heißt, unter bestimmten Bedingungen können die einen Widerspruch bildenden Dinge zu einer Einheit gelangen und sich ineinander verwandeln; ohne diese bestimmten Bedingungen können sie keinen Widerspruch bilden, ist ihre Koexistenz und auch ihre Verwandlung ineinander unmöglich. Die Identität der Gegensätze bildet sich nur unter bestimmten Bedingungen, deswegen haben wir gesagt, daß die Identität bedingt, relativ ist. Hier möchten wir hinzufügen, daß der Kampf der Gegensätze den ganzen Prozeß von Anfang bis Ende durchdringt und zur Verwandlung des einen Prozesses in den anderen führt; der Kampf der Gegensätze ist ausnahmslos überall im Gange, und darum ist er unbedingt, absolut.
Die Verbindung von bedingter, relativer Identität mit unbedingtem, absolutem Kampf ergibt die Bewegung der Widersprüche in allen Dingen.
Wir Chinesen sagen häufig: „Einander entgegengesetzt, einander ergänzend.“[32] Das bedeutet, daß zwischen den Gegensätzen eine Identität besteht. Diese Worte sind dialektisch und antimetaphysisch. „Einander entgegengesetzt“ bedeutet, daß die beiden entgegengesetzten Seiten einander ausschließen oder bekämpfen; „einander ergänzend“ bedeutet, daß sie unter bestimmten Bedingungen miteinander verbunden sind und zur Identität gelangen. Doch gerade der Identität wohnt der Kampf inne, ohne Kampf gibt es keine Identität.
In der Identität ist Kampf, im Besonderen ist das Allgemeine, im Einzelnen ist das Gemeinsame; um mit Lenin zu sprechen: „im Relativen ist Absolutes enthalten.“[33]
VI. Der Platz des Antagonismus in den Widersprüchen
Das Problem des Kampfes der Gegensätze schließt die Frage ein: Was ist Antagonismus? Auf diese Frage antworten wir: Der Antagonismus ist eine der Formen des Kampfes der Gegensätze, aber nicht die einzige Form.
In der Menschheitsgeschichte existiert der Antagonismus zwischen den Klassen als ein spezifischer Ausdruck des Kampfes der Gegensätze. Betrachten wir den Widerspruch zwischen der Klasse der Ausbeuter und der Klasse der Ausgebeuteten, so bestehen sowohl in der Sklavenhaltergesellschaft als auch in der feudalen und der kapitalistischen Gesellschaft diese beiden im Widerspruch stehenden Klassen lange Zeit hindurch in ein und derselben Gesellschaft nebeneinander. Sie kämpfen gegeneinander, doch erst nachdem sich der Widerspruch der beiden Klassen bis zu einem bestimmten Stadium entwickelt hat, nimmt der Kampf der beiden Seiten die Form eines offenen Antagonismus an, der sich zur Revolution entwickelt. Auf ähnliche Weise verwandelt sich in der Klassengesellschaft der Frieden in den Krieg.
Bevor eine Bombe explodiert, stellt sie eine Einheit dar, worin die Gegensätze infolge bestimmter Bedingungen nebeneinander existieren. Erst nach dem Eintreten einer neuen Bedingung (der Zündung) erfolgt die Explosion. Analog verhält es sich mit allen Naturerscheinungen, bei denen die Lösung des alten Widerspruchs und die Entstehung des neuen Dinges schließlich in der Form eines offenen Zusammenpralls erfolgt.
Es ist ungemein wichtig, diese Tatsache zu erkennen. Das hilft uns verstehen, daß in der Klassengesellschaft Revolutionen und revolutionäre Kriege unvermeidlich sind, daß es sonst unmöglich ist, in der Entwicklung der Gesellschaft einen Sprung zu vollziehen und die reaktionäre herrschende Klasse zu stürzen, damit das Volk die Macht ergreifen kann. Die Kommunisten müssen die betrügerische Propaganda der Reaktionäre entlarven, die zum Beispiel behaupten, daß die soziale Revolution unnötig und unmöglich wäre; sie müssen unerschütterlich an der marxistisch-leninistischen Lehre von der sozialen Revolution festhalten und dem Volk zum Verständnis dessen verhelfen, daß die soziale Revolution nicht nur unbedingt notwendig, sondern auch durchaus möglich ist und daß diese wissenschaftliche Wahrheit durch die ganze Menschheitsgeschichte und durch den Sieg der Sowjetunion bestätigt worden ist.
Wir müssen jedoch den Kampf der verschiedenen Gegensätze konkret untersuchen und dürfen keine unangebrachte Anwendung der obenerwähnten Formel auf alle Dinge zulassen. Die Widersprüche und der Kampf sind allgemein, absolut, doch die Methoden zur Lösung der Widersprüche, das heißt die Formen des Kampfes, sind je nach dem Charakter der Widersprüche verschieden. Manche Widersprüche weisen einen offen antagonistischen Charakter auf, andere nicht. Je nach der konkreten Entwicklung der Dinge werden manche ursprünglich nichtantagonistische Widersprüche zu antagonistischen, dagegen andere, ursprünglich antagonistische, zu nichtantagonistischen Widersprüchen.
Solange Klassen bestehen, sind die Widersprüche zwischen richtigen und falschen Ansichten in den Reihen der Kommunistischen Partei, wie oben festgestellt wurde, eine Widerspiegelung der Klassenwidersprüche innerhalb der Partei. In der Anfangsperiode oder in einzelnen Fragen treten diese Widersprüche nicht unbedingt sofort als antagonistische zutage. Doch mit der Entwicklung des Klassenkampfes können auch sie sich zu antagonistischen Widersprüchen entwickeln. Die Geschichte der KPdSU zeigt uns, daß sich die Widersprüche zwischen den richtigen Ansichten Lenins und Stalins und den falschen Ansichten Trotzkis[34], Bucharins und anderer anfangs nicht in antagonistischer Form kundtaten, in der Folge aber zu einem Antagonismus entwickelten. Auch in der Geschichte der Kommunistischen Partei Chinas gab es solche Fälle. Die Widersprüche zwischen den richtigen Ansichten vieler Genossen in unserer Partei und den falschen Ansichten von Tschen Du-hsiu, Dschang Guo-tao[35] und anderen traten anfangs auch nicht in antagonistischer Form zutage, entwickelten sich aber in der Folge zu antagonistischen. Derzeit weisen die Widersprüche zwischen richtigen und falschen Ansichten innerhalb unserer Partei keine antagonistische Form auf, und wenn die Genossen, die Fehler begangen haben, diese zu korrigieren verstehen, werden sich diese Widersprüche nicht zu antagonistischen entwickeln. Darum muß die Partei einerseits einen ernsten Kampf gegen falsche Ansichten führen, andererseits aber jenen Genossen, die Fehler gemacht haben, die volle Möglichkeit geben, diese einzusehen. Unter diesen Umständen ist eine Überspitzung des Kampfes offensichtlich unzweckmäßig. Wenn jedoch jene, die Fehler begangen haben, auf diesen beharren und sie vertiefen, dann besteht die Möglichkeit, daß sich diese Widersprüche zu antagonistischen entwickeln.
Die ökonomischen Widersprüche zwischen Stadt und Land in der kapitalistischen Gesellschaft (wo die von der Bourgeoisie kontrollierte Stadt das Dorf schonungslos ausplündert) und in den von der Kuomintang beherrschten Gebieten Chinas (wo die vom ausländischen Imperialismus und von der Kompradoren – Großbourgeoisie Chinas kontrollierte Stadt das Dorf aufs brutalste ausplündert) sind extrem antagonistisch. Doch im Lande des Sozialismus und in unseren revolutionären Stützpunktgebieten sind diese antagonistischen Widersprüche zu nichtantagonistischen geworden, und in der kommunistischen Gesellschaft werden sie verschwinden.
Lenin sagt: „Antagonismus und Widerspruch sind durchaus nicht dasselbe. Das erstere verschwindet, das zweite bleibt im Sozialismus.“[36] Das bedeutet, daß der Antagonismus nur eine der Formen des Kampfes der Gegensätze ist, nicht aber die einzige Form; deshalb kann man diese Formel nicht überall wahllos anwenden.
VII. Schlußfolgerung
Wir können jetzt kurz zusammenfassen. Das Gesetz des den Dingen innewohnenden Widerspruchs oder das Gesetz der Einheit der Gegensätze ist das Grundgesetz der Natur und der Gesellschaft und folglich auch des Denkens. Es ist der metaphysischen Weltanschauung direkt entgegengesetzt. Seine Entdeckung bedeutete eine große Revolution in der Geschichte der menschlichen Erkenntnis. Vom Gesichtspunkt des dialektischen Materialismus existiert der Widerspruch in allen Prozessen, die sich an objektiv existierenden Dingen sowie im subjektiven Denken abspielen, und durchläuft alle Prozesse von Anfang bis Ende. Darin besteht die Allgemeinheit und Absolutheit des Widerspruchs. Die widersprüchlichen Dinge und jede Seite des Widerspruchs haben ihre Besonderheiten. Darin besteht die Besonderheit und Relativität des Widerspruchs. Die Gegensätze in den widersprüchlichen Dingen sind unter bestimmten Bedingungen identisch, können daher in einer Einheit nebeneinander existieren und sich ineinander verwandeln. Auch darin liegt die Besonderheit und Relativität des Widerspruchs. Doch der Kampf der Gegensätze geht ununterbrochen vor sich, sowohl während ihrer Koexistenz als auch während ihrer wechselseitigen Verwandlung, wobei in letzterem Fall der Kampf besonders deutlich zutage tritt. Darin liegt wiederum die Allgemeinheit und Absolutheit des Widerspruchs. Beim Studium der Besonderheit und Relativität der Widersprüche müssen wir den Unterschied zwischen dem Hauptwiderspruch und den Nebenwidersprüchen sowie zwischen der hauptsächlichen und der sekundären Seite des Widerspruchs beachten; beim Studium der Allgemeinheit des Widerspruchs und des Kampfes der Gegensätze müssen wir den Unterschied zwischen den mannigfaltigen Formen des Kampfes der Gegensätze beachten; andernfalls werden wir Fehler begehen. Wenn wir uns nach erfolgtem Studium wirklich über die oben dargelegten Grundthesen klar geworden sind, dann werden wir imstande sein, die den Grundprinzipien des Marxismus-Leninismus zuwiderlaufenden und unsere revolutionäre Sache schädigenden dogmatischen Ansichten zu zerschlagen; zugleich wird es unseren erfahrenen Genossen ermöglichen, ihre Erfahrungen zu systematisieren und diese auf eine prinzipielle Höhe zu bringen, eine Wiederholung der Fehler des Empirismus zu vermeiden. Das ist die kurze Schlußfolgerung, die sich aus der von uns vorgenommenen Untersuchung des Gesetzes vom Widerspruch ergibt.
Anmerkungen
- ↑ Lenin, „Konspekt zu Hegels Vorlesungen Über die Geschichte der Philosophie„, Band I, Die eleatische Schule in: Philosophische Hefte.
- ↑ 2,0 2,1 2,2 Siehe Lenin, Zur Frage der Dialektik: „Spaltung des Einheitlichen und Erkenntnis seiner widersprechenden Bestandteile ... ist das Wesen der Dialektik.“ Siehe ferner Lenin, Konspekt zu Hegels Wissenschaft der Logik: „Die Dialektik kann kurz als die Lehre von der Einheit der Gegensätze bestimmt werden. Damit wird der Kern der Dialektik erfaßt sein, aber das muß erläutert und weiterentwickelt werden.“
- ↑ 3,0 3,1 Abram Deborin (1881-1963): Philosoph und ehemaliger Menschewik, der während der 1920er Jahre eine führende Rolle in der sich entwickelnden sowjetischen Akademie als Hofphilosoph der steigenden Bürokratie spielte, fiel aber nach dem Bruch Stalins mit dem Bucharinshcen Flügel der Parteiführung in Ungnaden.
- ↑ Lenin, Zur Frage der Dialektik.
- ↑ In der Han-Dynastie sagte einmal der bekannte Vertreter der Konfuzianischen Schule Dung Dschung-schu (179-104 v.Chr.) zum Kaiser Wu Di: „Das Tao kommt vom Himmel; der Himmel ist unveränderlich, und unveränderlich ist auch das Tao.“ Der Ausdruck „Tao“ wurde von den Philosophen des chinesischen Altertums häufig angewandt. Er bedeutet „Weg“ oder „Wahrheit“ und kann auch als „Gesetz“ oder „Gesetzmäßigkeit“ aufgefaßt werden.
- ↑ Siehe Friedrich Engels, Herrn Eugen Dührings Umwälzung der Wissenschaft, Erster Abschnitt, XII. Dialektik. Quantität und Qualität.
- ↑ Siehe Lenin, Zur Frage der Dialektik.
- ↑ Friedrich Engels, Herrn Eugen Dührings Umwälzung der Wissenschaft, Erster Abschnitt, XII. Dialektik. Quantität und Qualität.
- ↑ Lenin, Zur Frage der Dialektik.
- ↑ Nikolai Bucharin (1888-1938): trat der Bolschewistischen Partei 1906 bei; emigrierte 1911 ins Ausland; während des Ersten Weltkriegs Mitarbeiter am Kommunist 1915 und Nowi Mir (New York) 1916-17; kehrte 1917 nach Rußland zurück; wurde Mitglied des Zentralkomitees der Bolschewiki; Führer der linken Kommunisten und Gegner des Friedens von Brest-Litowsk 1918; Redakteur von Prawda 1919-29; Ideologe der Bereicherung der Bauern und des Sozialismus in einem Lande; ein Führer der Komintern; Präsident der Komintern 1926-29; Führer der Rechten Opposition; 1929 aus der Kommunistischen Partei ausgeschlossen; schwur seine Meinung ab und wurde in die Partei wieder aufgenommen; half dabei, die sowjetische Verfassung zu schreiben; verhaftet und nach dem dritten Moskauer Schauprozeß hingerichtet.
- ↑ Lenin, Zur Frage der Dialektik.
- ↑ Siehe Lenins Artikel Kommunismus (Werke, Bd. 31). In diesem Artikel kritisierte Lenin den ungarischen Kommunisten Bela Kun und schrieb: „Er umgeht das, worin das innerste Wesen, die lebendige Seele des Marxismus besteht: die konkrete Analyse einer konkreten Situation.“
- ↑ Siehe Sun Dsi, Kapitel III, Planung des Angriffs.
- ↑ We Dscheng (580-643 n.Chr.): Politiker und Historiker in der Anfangsperiode der Tang-Dynastie. Dieses Zitat wurde dem 192. Heft der Chronik Dsi Dschi Tung Djiän entnommen.
- ↑ Die Helden vom Liangschan-Moor ist ein Roman, der einen Bauernkrieg in den letzten Jahren der Nördlichen Sung-Dynastie schildert. Sung Djiang ist ein Hauptheld des Romans; das Dorf Dschu befand sich in der Nähe des Liangschan-Moors, des Stützpunkts dieses Bauernkriegs. Der Machthaber in diesem Dorf war ein despotischer großer Grundherr namens Dschu Tschaofeng.
- ↑ Lenin, Noch einmal über die Gewerkschaften, die gegenwärtige Lage und die Fehler Trotzkis und Bucharins.
- ↑ Die Revolution von 1911 war eine Revolution, in der das autokratische Regime der Tjing-Dynastie gestürzt wurde. Am 10. Oktober 1911 entfesselte ein Teil der Neuen Armee auf Betreiben der bürgerlichen und kleinbürgerlichen revolutionären Organisationen einen Aufstand in Wutschang. Der Aufstand griff von einer Provinz auf die andere über, und bald war die Herrschaft der Tjing-Dynastie zerfallen. Am 1. Januar 1912 wurde in Nanking die provisorische Regierung der Republik China gebildet, und Sun Yat-sen wurde zum provisorischen Präsidenten gewählt. Da aber der an der Spitze der Revolution stehende Block den Bauern nichts Reales gab und vor dem Druck des Imperialismus und der feudalen Kräfte zurückwich, gelangte die Macht in die Hände eines der Militärmachthaber im Norden, Yüan Schi-kai, und die Revolution erlitt letzten Endes eine Niederlage.
- ↑ Die vier nordöstlichen Provinzen waren Liaoning, Kirin, Heilungkiang und Jehol. (Diese Provinzen entsprechen heute den Provinzen Liaoning, Kirin, Heilungkiang, dem nordöstlichen Teil der Provinz Hopeh nördlich der Großen Mauer und dem Ostteil des Autonomen Gebiets der Inneren Monoglei – der Übers.) Nach den Ereignissen des 18. September 1931 besetzten die japanischen Truppen zunächst die Provinzen Liaoning, Kirin und Heilungkiang und dann im Jahre 1933 die Provinz Jehol.
- ↑ Unter dem Einfluß der Roten Armee Chinas und der Bewegung der Massen gegen die japanische Aggression erklärten sich die Nordostarmee der Kuomintang unter dem Kommando Dschang Hsüä-liangs und die 17. Route-Armee der Kuomintang unter dem Kommando Yang Hu-tschengs mit der von der Kommunistischen Partei Chinas vorgeschlagenen antijapanischen nationalen Einheitsfront einverstanden und forderten, daß sich Tschiang Kai-schek mit der Kommunistischen Partei zum Widerstand gegen die japanische Aggression vereinige. Tschiang Kai-schek weigerte sich, diese Forderung anzunehmen, bereitete die militärische „Kommunistenausrottung“ aktiv vor und unter der Jugend in Sian, die gegen die japanische Aggression auftrat, ein Blutbad anrichtete. Daraufhin verhafteten Dschang Hsüä-liang und Yang Hu-tscheng in gemeinsamer Aktion Tschiang Kai-schek. Das waren die bekannten Sian-Ereignisse vom 12. Dezember 1936. Tschiang Kai-schek war gezwungen, die Forderung nach einem Bündnis mit der Kommunistischen Partei zum Widerstand gegen Japan anzunehmen. Danach wurde er freigelassen und kehrte nach Nanking zurück.
- ↑ Tschen Du-hsiu (1879-1942): Teilnehmer an der bürgerlichen Revolution 1911; Professor an der Peking-Universität und Redakteur der Zeitschrift Neue Jugend. Er gehört zu den Begründern der Kommunistischen Partei Chinas, wurde Generalsekretär der Partei und war der wichtigste Führer der KPCh während der Revolution 1925-27. Nach der Niederlage der Revolution wurde er auf Befehl Stalins aus der Führung gestürzt. Danach akzeptierte Tschen Du-hsiu wie andere führende Mitglieder der Kommunistischen Partei die trotzkistische Kritik der China-Politik der Komintern. Daher wurde Tschen Du-hsiu im November 1929 aus der Partei ausgeschlossen. Danach wurde er einer der führenden Köpfe der chinesischen Trotzkisten; von der Kuomintang 1932-37 inhaftiert. Er starb im Jahre 1942.
- ↑ Infolge des Kampfes des chinesischen Volkes gegen den Opiumhandel schickte Großbritannien in den Jahren 1840-1842 unter dem Vorwand, den Handel schützen zu müssen, Truppen zur Invasion nach China. Die chinesischen Truppen führten unter Leitung von Lin Dsö-hsü einen Widerstandskrieg. Die Bevölkerung von Kanton organisierte spontan das „Korps zur Niederwerfung der Engländer“ (Pingyingtuan), das den englischen Aggressoren ebenfalls schwere Schläge versetzte.
- ↑ Der Chinesisch-Japanische Krieg im Jahre 1894 wurde durch die japanische Aggression in Korea und durch das provokatorische Vorgehen Japans gegen die Land- und Seestreitkräfte Chinas hervorgerufen. Da die Regierung der Tjing-Dynastie morsch und auf eine entschlossene Abwehr der Aggression nicht vorbereitet war, erlitt China eine Niederlage. Das Ergebnis ist, daß die Regierung der Tjing-Dynastie mit Japan den Vertrag von Schimonoseki schloß.
- ↑ Siehe Lenin, Was tun?, Kapitel I, Abschnitt 4.
- ↑ Lenin, Konspekt zu Hegels Wissenschaft der Logik.
- ↑ Schanhaidjing („Das Buch von Bergen und Meeren“) ist ein Werk aus der Epoche der Streitenden Reiche (403-221 v.Chr.). Kua Fu ist ein göttliches Wesen, das in diesem Buch beschrieben wird. Es heißt darin: „Kua Fu jagte der Sonne nach. Als er die Sonne einholte, verspürte er Durst und wollte trinken, er trank aus dem Gelben Fluß und dem We-Fluß. Das Wasser dieser Flüsse reichte nicht aus, und er stürmte nach dem Norden, um sich dort im großen See sattzutrinken. Doch ohne das Ziel zu erreichen, starb er auf dem Weg vor Durst. Sein Stab, den er zurückgelassen hatte, verwandelte sich in den Wald von Deng.“
- ↑ Yi ist ein Held der altchinesischen Überlieferung. In dem bekannten Mythos Wie der Held die Sonnen abschoß wird von seiner Treffsicherheit im Bogenschießen erzählt. In dem von Liu An (einem Adeligen des 2. Jahrhunderts v.Chr.) in der Zeit der Han-Dynastie zusammengetragenen Buch Huainandsi heißt es: „Zur Zeit des Kaisers Yao gingen gleichzeitig zehn Sonnen auf. Alle Getreidehalme wurden versengt, alle Pflanzen verdorrten, und das Volk hatte nichts zu essen. Schnellfüßige Unholde mit Drachenköpfen, die Menschen verschlangen, Scheusale mit langen Zähnen, Ungeheuer, die Feuer und Überschwemmungen hervorriefen, Sturmvögel, die Wohnhäuser zerstörten, gigantische Wildschweine und riesige Giftschlangen brachten Unheil über das Volk. Yao befahl Yi, die zehn Sonnen am Himmel und die Ungeheuer auf der Erde zu erschießen ... Das ganze Volk frohlockte.“ Zur Zeit der Östlichen Han-Dynastie schrieb Wang Yi (Schriftsteller des 2. Jahrhunderts n.Chr.) in den Anmerkungen zu dem Gedicht von Tjü Yüan Tiänwen („Anfragen an den Himmel“): „Nach dem Buch Huainandsi gingen zur Zeit des Kaisers Yao gleichzeitig zehn Sonnen auf, alle Pflanzen verdorrten. Yao befahl Yi, die zehn Sonnen abzuschießen, dieser erlegte neun Sonnen, ließ aber eine Sonne übrig.“
- ↑ Die Pilgerfahrt nach dem Westen – ein mythologischer chinesischer Roman, geschrieben im 16. Jahrhundert. Sun Wu-kung, der Hauptheld des Romans, ist ein göttlicher Affe. Er besaß das Geheimnis von 72 Verwandlungen, konnte sich nach Wunsch in verschiedene Arten von Pflanzen und Tieren wie auch in Gegenstände und Menschen verwandeln.
- ↑ Liaodschaidschiyi („Seltsame Geschichten, aufgezeichnet im Studio der beschaulichen Muße“) ist eine Sammlung von Erzählungen, die Pu Sung-ling im 17. Jahrhundert, zur Zeit der Tjing-Dynastie, auf der Grundlage von ihm gesammelter Volksüberlieferungen geschrieben hat. Diese Sammlung enthält 431 Erzählungen, die größtenteils von Göttern, Feen, Gespenstern und Füchsen handeln.
- ↑ Karl Marx, Einleitung zur Kritik der politischen Ökonomie.
- ↑ Pariser Kommune
- ↑ Lenin, Zur Frage der Dialektik.
- ↑ Dieser Satz tauchte zum ersten Mal in der Chronik Tiiänhanschu („Buch der Früheren Han-Dynastie“), Heft 30, „Abriß der Künste“, auf, die der bekannte chinesische Historiker des 1. Jahrhunderts Ban Gu verfaßt hat. Der Satz wurde in der Folgezeit allgemein bekannt. Bei Ban Gu heißt es: „Von den zehn Philosophenschulen verdienen nur neun Aufmerksamkeit. Sie alle entstanden in der Periode, als die Macht des Königs in Verfall geriet und die örtlichen Fürsten einander zu bekämpfen begannen, wobei jeder Fürst seine Machtstellung nach Kräften zu verstärken trachtete. Die Ziele und Neigungen so vieler Herrscher zu jener Zeit wiesen auch große Unterschiede auf. Unter diesen Umständen entstanden nacheinander die neun Schulen, und jede stellte ihre eigenen Thesen auf, die sie als die einzig richtigen anpries. Jede von ihnen predigte eifrig ihre Lehre und suchte zu erreichen, daß sie von irgendwelchen Fürsten angenommen werde. Ihre Lehren waren zwar verschieden, aber sie hoben einander auf und ergänzten einander wie Wasser und Feuer. Menschenliebe und Pflichtgefühl, Ehrerbietung und Freundschaft sind gegensätzlich, aber sie ergänzen einander.“
- ↑ Siehe Lenin, Zur Frage der Dialektik.
- ↑ Leo Trotzki (1879-1940): trat 1897 der russischen marxistischen Bewegung bei; Mitarbeiter bei der Iskra. Bei der Spaltung beim 2. Parteitag trat er gegen Lenin auf, blieb aber nicht lange bei den Menschewiki. Während der Revolution von 1905 Vorsitzender des Petersburger Sowjets. Nach der Revolution entwickelte er seine berühmte Theorie der permanenten Revolution auf Grund einer Analyse der Klassenverhältnisse in Rußland. Zwischen den Revolutionen nahm er eine versöhnlerische Position zwischen den fraktionen an, was zu heftigen Polemiken mit Lenin führte. Gegner des ersten Weltkriegs, Teilnehmer an den Konferenzen der Kriegsgegner bei Zimmerwald und Kienthal. Nach seiner Rückkehr Anfang Mai 1917 arbeitete er eng mit den Bolshewiki und führte seine Organisation (die „Meschrajontsi“) August 1917 in die Bolschewistische Partei ein; sofort ins ZK gewählt. Im September wieder Vorsitzender des Petrograder Sowjets, maßgeblich an der Organisierung des Oktoberaufstands beteiligt. Zuerst Kommissar für Außenangelegenheiten und dann Kriegskommissar, Begründer der Roten Armee, die er während des Bürgerkriegs führte. Gegner der Bürokratisierung der Partei, aber mit der Isolation der Revolution wurde er immer weiter ins Abseits gedrängt. 1927 wurde die Vereinigte Opposition, die er gemeinsam mit Sinowjew und Kamenjew organisierte, von den Stalinisten geschlagen und Trotzki aus der partei ausgeschlossen. 1929 wurde er aus der Sowjetunion ausgewiesen und später wurde seine sowjetische Staatsbürgerschaft aberkannt. Versuchte die Internationale Linke Opposition als externe Fraktion der Kommunistischen Internationale aufzubauen, entwickelte scharfe Kritik an der „ultralinken“ Politik der Komintern, besonder in bezug auf Deutschland und den Aufstieg der Nazis. Nach dem Sieg des deutschen Nationalsozialismus erklärte er den offenen Bruch mit der Komintern und versuchte in seinen letzten jahren eine neue revolutionäre Internationale zu bilden, was 1938 zur Erklärung der Vierten Internationale führte. Ermordet August 1940 durch eine Agenten Stalins, Ramon Mercader.
- ↑ Dschang Guo-tao (1897-??): trat während seiner Jugend in die Kommunistische Partei ein. 1935 trat er gegen den Marsch der Roten Armee nach dem Norden (den „Langen Marsch“) auf, trat für einen Rückzug in die Gebiete der nationalen Minderheiten an der Grenze der Provinzen Szetschuan und Sikiang ein. Er betrieb offen eine gegen das Zentralkomitee gerichtete verräterische Tätigkeit, bildete sein eigenes Zentralkomitee und gewann die 4. Frontarmee für seine Politik. Mao Tsetung gelang es aber, die 4. Frontarmee bald wieder für seine Politik zurückzugewinnen. Dschang Guo-tao flüchtete im Frühling 1938 aus dem Grenzgebiet Schensi-Kansu-Ningsia.
- ↑ Siehe Lenin, Bemerkungen zu N. Bucharins Buch Die Ökonomik der Transformationsperiode.