Bibliothek:Stalin Werke, Band 1/Brief aus Kutais

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Brief aus Kutais
Written byJosef Stalin
Written inSeptember/Oktober 1904
First published1952
TypeBrief
Sourcehttps://web.archive.org/web/20090130105546/http://stalinwerke.de/band01/b01-008.html


Hier braucht man jetzt die "Iskra"[10] (obwohl sie keine Funken gibt, man braucht sie aber dennoch: sie enthält wenigstens eine Chronik, hol‘s der Teufel, auch den Feind muss man gut kennen), angefangen mit Nr. 63. Sehr gebraucht werden die von Bontsch-Brujewitsch[11] herausgegebenen Schriften: "Der Kampf für den Parteitag", "An die Partei" (ist es nicht die Deklaration der 22?[12]), "Unsere Missverständnisse", "Über das Wesen des Sozialismus" und "Über die Streiks" von Rjadowoi (wenn sie erschienen sind), die Broschüre Lenins gegen Rosa und Kautsky[13], das Protokoll des Kongresses der Liga[14], "Ein Schritt vorwärts"[15] (kannst Du verschieben, wenn jetzt unmöglich zu schaffen). Gebraucht wird jede Neuheit, von einfachen Deklarationen bis zu großen Broschüren, was nur irgendwie den vor sich gehenden innerparteilichen Kampf berührt.

Habe die Broschüre Galorkas "Nieder mit dem Bonapartismus" gelesen. Geht an. Wenn er mit seinem Hammer stärker und tiefer schlüge, wäre es besser. Der scherzhafte Ton und die Bitte um Schonung nehmen seinen Schlägen Kraft und Gewichtigkeit und verderben den Eindruck beim Leser. Um so mehr fällt dieser Mangel ins Auge, als der Verfasser unseren Standpunkt offenbar gut begreift und manche Fragen ausgezeichnet erläutert und entwickelt. Ein Mann, der auf unserem Standpunkt steht, muss mit fester und entschlossener Stimme sprechen. In dieser Hinsicht ist Lenin ein richtiger Bergadler.

Habe auch die Artikel Plechanows gelesen, in denen er "Was tun?"[16] analysiert. Der Mann ist entweder völlig übergeschnappt, oder aus ihm sprechen Hass und Feindschaft. Glaube, dass beide Ursachen hier zusammentreffen. Ich glaube, dass Plechanow hinter den neuen Fragen zurückgeblieben ist. Ihm schweben die alten Opponenten vor, und auf alte Weise wiederholt er immerfort: "Das gesellschaftliche Bewusstsein wird bestimmt durch das gesellschaftliche Sein", "Ideen fallen nicht vom Himmel". Als ob Lenin sagte, dass der Sozialismus von Marx während der Sklaverei und der Leibeigenschaft möglich gewesen wäre. Heutzutage wissen auch Gymnasiasten, dass "Ideen nicht vom Himmel fallen". Die Sache ist aber die, dass es sich jetzt um etwas ganz anderes handelt. Diese alte Formel haben wir schon lange verdaut, die Zeit ist gekommen, diese allgemeine Frage zu detaillieren. Jetzt interessiert uns, wie aus einzelnen Ideen ein System von Ideen (die Theorie des Sozialismus) herausgearbeitet wird, wie die einzelnen Ideen und Ideechen zu einem harmonischen System verbunden werden - der Theorie des Sozialismus, und wer sie herausarbeitet und verbindet. Gibt die Masse ihren Führern das Programm und die Begründung des Programms oder die Führer der Masse? Wenn die Masse selbst und ihre spontane Bewegung uns die Theorie des Sozialismus geben, so braucht man die Masse nicht vor dem schädlichen Einfluss des Revisionismus, des Terrorismus, der Subatowerei, des Anarchismus zu schützen: "die spontane Bewegung gebiert aus sich selbst den Sozialismus". Wenn aber die spontane Bewegung nicht aus sich selbst die Theorie des Sozialismus gebiert (vergiss nicht, dass bei Lenin von der Theorie des Sozialismus die Rede ist), so heißt das, dass die letztere außerhalb der spontanen Bewegung geboren wird, aus der Beobachtung und Erforschung der spontanen Bewegung durch Männer, die mit dem Wissen unserer Zeit gewappnet sind. Also wird die Theorie des Sozialismus "ganz unabhängig von der Entwicklung der spontanen Bewegung" ausgearbeitet, sogar trotz dieser Bewegung, und danach erst in diese Bewegung von außen hineingetragen, wobei sie die Bewegung entsprechend ihrem Inhalt korrigiert, d.h. entsprechend den objektiven Anforderungen des Klassenkampfes des Proletariats.

Die Schlussfolgerung (der praktische Schluss) hieraus ist die: Wir müssen das Proletariat bis zum Bewusstsein der wahren Klasseninteressen, bis zur Erkenntnis des sozialistischen Ideals heben, nicht aber dieses Ideal gegen Kleinigkeiten eintauschen oder es der spontanen Bewegung anpassen. Lenin hat die theoretische Basis geschaffen, auf der denn auch diese praktische Schlussfolgerung beruht. Man braucht nur diese theoretische Voraussetzung anzunehmen, und keinerlei Opportunismus wird an einen herankommen können. Darin liegt die Bedeutung der Leninschen Idee. Ich nenne sie die Leninsche, weil niemand in der russischen Literatur sie mit solcher Klarheit ausgesprochen hat wie Lenin. Plechanow glaubt, er lebe immer noch in den neunziger Jahren, und kaut das achtzehnmahl Wiedergekaute noch einmal wieder - zweimal zwei seien vier. Und er schämt sich nicht, sich bis in eine Wiederholung der Martynowschen Ideen hineinzureden...

Wahrscheinlich kennst Du die Deklaration der 22... Hier war ein Genosse, der aus eurer Gegend kam, er hat die Resolutionen der kaukasischen Komitees mitgenommen, in denen sie sich für einen außerordentlichen Parteitag aussprechen.

Mit Unrecht hältst Du die Sache für hoffnungslos, - geschwankt hat nur das Kutaiser Komitee, aber es ist mir gelungen, sie zu überzeugen, und hiernach begannen sie, auf den Bolschewismus zu schwören. Sie zu überzeugen war nicht schwer: die doppelzünglerische Politik des ZK ist dank der Deklaration offenkundig geworden, und nach dem Erhalt neuer Informationen hierüber war nicht daran zu zweifeln. Es (das ZK) wird sich den Hals brechen, dafür werden die hiesigen und die russischen Genossen sorgen. Alle wetzen gegen das ZK die Zähne.