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Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (1922–1991)

Aus ProleWiki
(Weitergeleitet von UdSSR)
Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken
Союз Советских Социалистических Республик
საბჭოთა სოციალისტური რესპუბლიკების კავშირი
Խորհրդային Միութիւն
Nõukogude Sotsialistlike Vabariikide Liit
Padomju Sociālistisko Republiku Savienība
1922–1991
Flag of Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken
Wappen von Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken
Wappen
Motto: Пролетарии всех стран, соединяйтесь!
Location of Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken
Hauptstadt
und größte Stadt
Moskau
Offizielle SprachenKeine (1922–1990)
Russisch (1990–1991)
ProduktionsmodusSozialismus
RegierungFöderaler marxistisch-leninistischer sozialistischer Staat (bis 1990)
• Wichtige Staatoberhäupter
Wladimir Lenin (1922–1924)
Josef Stalin (1924–1953)
Geschichte
• Oktoberrevolution
07. November 1917
30. Dezember 1922
• Sieg im Zweiten Weltkrieg
09. Mai 1945
• Auflösung
26. Dezember 1991
Bevölkerung
• 1989 Schätzung
285.742.511[1]
Arbeit
• Arbeitskräfte
152,3 Millionen[2]
• Aufteilung
80% in der Industrie und anderen nicht-agrarischen Sektoren
20% Agrarsektor[2]
• Arbeitslosenrate
1–2%[3]
BIP (nominal)1989 estimate
• Gesamt
2.66 Billionen US-Dollar[2] (2. Rang)
• Pro Kopf
9.211 US-Dollar[4]
Exporte1988 estimate
• Wert
110,7 Milliarden US-Dollar[2]
• Güter
Erdöl und -produkte, Erdgas, Metalle, Holz, Agrarprodukte, breite Anzahl an Manufakturprodukten[2]
• Handelspartner
Osteuropa (49%),
Westeuropa (14%), Kuba (5%), USA[2]
Importe1988 estimate
• Wert
107,3 Milliarden US-Dollar[2]
• Güter
Getreide und andere Agrarprodukte, Maschinen, Stahlprodukte, Verbraucherprodukte[2]
• Handelspartner
Osteuropa (43%),
Westeuropa (18%),
Kuba, China, USA[2]
WährungSovietische Rubel (РУБ)
Preceded by
Succeeded by
1922:
Russische SFSR
Ukrainische SSR
Belarussische SSR
Transkaukasische SFSR
1923:
Provisorische Amur-Regierung
1924:
Volkssowjetrepublik Buchara
Volksrepublik Choresmien
1939:
Poland (Anteil)
1940:
Finland (Anteil)
Rumänien (Anteil)
Estland
Lettland
Litauen
1944:
Tuwa
1945:
1990:
Litauen
1991:
Georgien
Estland
Lettland
Ukraine
Moldawien
Kirgisistan
Usbekistan
Tadschikistan
Armenien
Aserbaidschan
Turkmenistan
Belarus
Russland
Kasachstan
China (Anteil)

Die Sowjetunion, offiziell die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken oder UdSSR, war eine transnationale Union von marxistisch-leninistischen sozialistischen Staaten, die von 1922 bis 1991 in Eurasien existierte.

Die Sowjetunion wurde 1922 als eine Union aus vier sozialistischen Republiken gegründet, die nach der Oktoberrevolution von 1917 entstanden waren: die Russische SFSR, die Transkaukasische SFSR, die Ukrainische SSR und die Belarussische SSR. In den folgenden Jahren kamen die Usbekische und die Tadschikische SSR hinzu. Die Transkaukasische SFSR wurde 1936 aufgelöst und die SSRs von Georgien, Armenien und Aserbaidschan erhielten den Status eigenständiger Unionsrepubliken. Von 1956 bis 1991 bestand die Union aus 15 Mitgliedsrepubliken, von denen zwei eigene Sitze bei den Vereinten Nationen hatten.

Die Sowjetunion stellte eine bahnbrechende politische Alternative für die Arbeitsklasse dar, als der erste stabile sozialistische Staat der Geschichte. Dies war besonders bemerkenswert in einer Zeit, in der Arbeiter*innen in der westlichen Welt noch um grundlegende Gewerkschaftsrechte kämpften. Die sowjetischen Verfassungen von 1924 und 1936 zählten zu den fortschrittlichsten politischen Errungenschaften ihrer Zeit.

Die Sowjetunion entwickelte sich unter enormem Druck durch kapitalistische Staaten und globalem Imperialismus. Während des Russischen Bürgerkriegs, der 1918 begann, erlitt sie wiederholte Invasionen durch Großbritannien, Frankreich, die USA, Japan, Polen und mehrere kleinere europäische Mächte. Einige dieser Interventionen gelang es zeitweilig, lokale Sowjets zu stürzen und antikommunistische Marionettenregime zu installieren, jedoch scheiterten sie letztlich daran, die Gründung der Sowjetunion zu verhindern.

Nur zwei Jahrzehnte später, im Zweiten Weltkrieg, stellte der Überfall Nazi-Deutschlands den zweiten imperialistischen Krieg gegen die Sowjetunion dar, diesmal im Namen des Faschismus. Obwohl die Faschisten katastrophale Schäden im Westen der UdSSR und unter der Bevölkerung anrichteten, gelang es der Roten Armee, die Nazi-Streitkräfte zurückzuschlagen und eine entscheidende Rolle bei der Niederlage des deutschen Nationalsozialismus im Jahre 1945 zu spielen.

Trotz dieser Herausforderungen erzielte die Sowjetunion einige der beeindruckendsten wirtschaftlichen Entwicklungen der modernen Geschichte. Sozialismus verwandelte ein Land von Analphabet*innen und hungernden Bäuer*innen in eine industrielle Supermacht mit einer der am schnellsten wachsenden Wirtschaften der Welt. Die sowjetische Bevölkerung gehörte zu den gebildetsten und gesündesten der Welt und war verantwortlich für einige der bedeutendsten industriellen und wissenschaftlichen Errungenschaften der Geschichte. Die UdSSR diente als einflussreiches Modell für spätere sozialistische Projekte in Ländern wie China, Kuba und Vietnam.

Ab 1988 traten viele Sowjetrepubliken aus der Union aus, bevor sie 1991 illegal aufgelöst wurde. Ihr ehemaliges Territorium wird heute von den Nachfolgestaaten Russland, Lettland, Litauen, Estland, Belarus, Ukraine, Transnistrien, Moldawien, Georgien, Aserbaidschan, Armenien, Arzach, Abchasien, Südossetien, Kasachstan, Usbekistan, Turkmenistan, Tadschikistan und Kirgisistan besetzt.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Hintergrund[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im frühen 20. Jahrhundert war das Russische Reich ein semi-feudales Land, das von einer absoluten Monarchie regiert wurde. Die durchschnittliche Lebenserwartung in Russland betrug etwa 35 Jahre, und die Lese- und Schreibfähigkeit lag bei nur etwa 20%. Die Arbeiter*innen und Bäuer*innen lebten unter katastrophalen Bedingungen, ohne gesetzlichen Mindestlohn oder grundlegende Arbeitsschutzvorschriften, und arbeiteten 60 bis 70 Stunden in der Woche.[5]

Trotz der Größe des Landes herrschte ein ständiger Mangel an landwirtschaftlichen Flächen, und Hungersnöte waren häufig. Der größte Teil des Landes gehörte wohlhabenden Großgrundbesitzenden und reichen Bäuer*innen. Aufgrund technologischer Rückständigkeit konnte nur der fruchtbarste Boden genutzt werden, was die Menge an verfügbarem Ackerland stark einschränkte. Es kam zu zahlreichen großen Streiks und Protesten, doch es war nicht ungewöhnlich, dass die Polizei eingesetzt wurde, um die Streiks zu brechen, oft indem sie auf die Streikenden schoss.

1898 wurde die Russische Sozialdemokratische Arbeiterpartei (RSDAP) gegründet, die verschiedene kommunistische Studiengruppen in ganz Russland vereinte. Zu ihren Gründern gehörten Persönlichkeiten wie Wladimir Lenin und Julius Martow. Sie etablierte sich als marxistische Partei, die sich die Aufgabe gestellt hatte, die Monarchie zu stürzen und den Sozialismus einzuführen. Im Verlauf des Kampfes kam es jedoch zu erheblichen Meinungsverschiedenheiten darüber, wann und wie dieses Ziel zu erreichen sei. 1903 führte dies de facto zu einer Spaltung der Partei, wodurch zwei Fraktionen entstanden: die Menschewiki unter der Führung von Martow und die Bolschewiki unter Lenin.

Unter der Führung der RSDAP und angesichts der sich verschlechternden Lebensbedingungen versuchten die russischen Arbeitenden 1905 eine demokratische Revolution. Überall im Land brachen massive Proteste aus, Meutereien in der Armee waren weit verbreitet, und die Menschen organisierten öffentliche Versammlungen, sogenannte "Sowjets" oder Räte, in denen diskutiert wurde, wie weiter vorzugehen sei. Diese frühe Form der Organisation konnte sich jedoch nicht durchsetzen. Die Revolution scheiterte letztlich, obwohl sie einige demokratische Freiheiten vom Zaren erlangte, die jedoch danach ständig von der Monarchie bedroht waren. Diese Revolution wird oft als Generalprobe für die spätere Revolution angesehen.

1914 begann der Erste Weltkrieg, der Russland ins Chaos stürzte. Die Wirtschaft wurde durch den Krieg zerstört, es herrschte Nahrungsmittelknappheit, und große Teile der Bevölkerung wurden zum Kriegsdienst eingezogen. Viele, insbesondere Sozialist*innen, sahen den Krieg als ungerechten imperialistischen Eroberungskrieg, in dem Millionen von Armen und Arbeitsklasseangehörigen aus verschiedenen Ländern für die Profite und den Reichtum der kapitalistischen und monarchistischen Regierungen ihrer Länder sterben mussten.

Die Haltung zum Krieg führte schließlich zur Spaltung der internationalen sozialistischen Bewegung und der Zweiten Internationale. Viele Parteien lehnten den Krieg zunächst ab, entschieden sich dann aber, ihre eigene Regierung im Krieg zu unterstützen, um ihr Land vor den anderen imperialistischen Mächten zu schützen. Lenin, Rosa Luxemburg und andere Revolutionäre betrachteten dies als Verrat. Ihrer Meinung nach würde die Unterstützung der eigenen imperialistischen Regierung in einem imperialistischen Krieg nichts dazu beitragen, den Krieg zu beenden. Sie forderten stattdessen, den "imperialistischen Krieg in einen Klassenkrieg zu verwandeln", Freundschaft zwischen den Arbeitenden der verschiedenen Länder und Einigkeit gegen die kapitalistischen Regierungen aller kriegsführenden Staaten. Dies führte zur Spaltung der Internationale.

Februarrevolution[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Februar 1917 wurde die russische Monarchie gestürzt, was zur Bildung der Russischen Provisorischen Regierung führte. Diese setzte sich aus der kapitalistischen Kadettenpartei, der Sozialrevolutionären Partei (SR) und den Menschewiki zusammen.

Die Bolschewiki gewährten der Provisorischen Regierung anfänglich "bedingte Unterstützung", insofern diese die von der Bevölkerung geforderten demokratischen Reformen und politischen Maßnahmen umsetzte. Doch bald zeigte sich, dass die Provisorische Regierung ein Fehlschlag war.

Die Regierung weigerte sich, Landreformen durchzuführen, die notwendig gewesen wären, um Hungersnöte zu verhindern und den Mangel an landwirtschaftlicher Fläche zu lindern. Dies hätte jedoch bedeutet, gegen die Interessen der Großgrundbesitzenden vorzugehen. Zudem verweigerte sich die Regierung, strengere Regulierungen des Handels und der Wirtschaft, die erforderlich gewesen wären, um einen wirtschaftlichen Zusammenbruch zu vermeiden, zu implementieren. Dies hätte jedoch die Kapitalist*innen beeinträchtigt, die stark vom Krieg und dem herrschenden Chaos profitierten.

Die Provisorische Regierung unterstützte auch den Krieg und propagierte einen „Krieg bis zum Sieg“, obwohl sich immer deutlicher zeigte, dass Russland dabei war, den Krieg zu verlieren. Dennoch fühlte sich die Regierung verpflichtet, ihre Bündnisverträge im Ersten Weltkrieg zu erfüllen.

Die Bolschewiki wiesen schnell darauf hin, dass die Provisorische Regierung ebenso wie die zaristische Regierung auf der Seite der Großgrundbesitzenden und Kapitalist*innen stand und den imperialistischen Krieg fortsetzte. Sie sahen in der Provisorischen Regierung eine Fortführung der zaristischen Politik.

Im April 1917 kehrte Wladimir Lenin aus dem Exil zurück und präsentierte seine „Aprilthesen“, die den Sturz der Provisorischen Regierung forderten.

Die Bolschewiki formulierten ihre Parolen:

Nieder mit der Provisorischen Regierung!

Nieder mit den kapitalistischen Ministern!

Fabriken den Arbeitenden, Land den Bauern, Schluss mit dem imperialistischen Krieg! Frieden, Brot und Land!

Im Juni 1917 fanden in der Hauptstadt Petrograd (heute St. Petersburg) Kommunalwahlen statt. Die Bolschewiki erzielten einen enormen Wahlerfolg und wuchsen zu einer der größten Parteien Russlands heran. Dennoch behielt der sogenannte „Defensistenblock“, bestehend aus der SR-Partei und den Menschewiki, die Mehrheit der Sitze. Defensismus bedeutete, dass sie die Kriegsanstrengungen unterstützten. Die größten Verlierenden der Wahlen war die Kadettenpartei, die nur 15% der Stimmen erhielt und ihre Vormachtstellung verlor.

Am 1. Juli startete Russland eine Offensive an der Front, bekannt als „Kerenski-Offensive“ oder „Juli-Offensive“. Der Krieg verlief schlecht, und die Verluste für Russland häuften sich. Die imperialistischen Ziele der Provisorischen Regierung wurden immer offensichtlicher.

Am 3. und 4. Juli fand in Petrograd eine riesige Demonstration statt, an der Hunderttausende Menschen teilnahmen, darunter bewaffnete Soldaten von der Front, die nach Veränderung und Revolution verlangten. Die Bolschewiki rieten zur Vorsicht und forderten, dass die Demonstration friedlich und organisiert ablaufen solle. Sie sprachen sich gegen das Mitbringen von Waffen aus, da sie der Meinung waren, dass sie noch nicht stark genug für eine Revolution seien. Die Arbeitenden und Soldaten brachten jedoch trotzdem Waffen mit, und die Bolschewiki beteiligten sich, um die Arbeitenden zu unterstützen.

Die Demonstrierenden trugen die Parolen der Bolschewiki: „Beendet den Krieg“, „Frieden, Brot und Land“. Die Regierung schlug die Demonstrationen brutal nieder, und zahlreiche Menschen kamen ums Leben. Die Bolschewiki wurden nun als ernsthafte Bedrohung für die Regierung angesehen. Ein Haftbefehl gegen Lenin wurde ausgestellt, der ihn in den Untergrund zwang. Die bolschewistische Zeitung „Pravda“ wurde verboten, ihre Druckerei und Parteibüros zerstört. Diese Phase der Repression wurde als die „Julitage“ bekannt. Die Provisorische Regierung führte die Todesstrafe an der Front wieder ein, um Desertierende zu bestrafen.

Die Bolschewiki erlitten schwere Verluste und verloren viele ihrer wichtigen Ressourcen. Sie begannen, ihre Zeitungen unter neuen Namen herauszugeben, um der Zensur zu entgehen. Trotz dieser Schwierigkeiten stieg die Unterstützung der Arbeitenden für sie weiter an, da die Provisorische Regierung als Stütze der kapitalistischen Elite und der Imperialisten entlarvt wurde. Um den Verlust an Arbeitendenunterstützung auszugleichen, näherte sich die Provisorische Regierung der alten kapitalistischen Kadettenpartei an.

Im August 1917 kam es zum „Kornilow-Putsch“, einem gescheiterten Versuch des Generals Kornilow, eine Militärdiktatur zu errichten, um die Unruhen in Russland zu beenden. Die Eisenbahnarbeitenden streikten und weigerten sich, Kornilows Truppen zu transportieren, während die Arbeitenden und Soldaten von Petrograd bewaffnete Rote Garden bildeten, um die Stadt zu verteidigen.

Nach dem Sturz der Monarchie entstanden erneut Sowjets in allen großen Städten, die jedoch zunächst von den Menschewiki dominiert wurden. Im September errangen die Bolschewiki die Mehrheit im Petrograder Sowjet und bald darauf auch in den Sowjets von Moskau und anderen großen Städten. Da die Regierung handlungsunfähig war und die Wirtschaft zusammenbrach, wandten sich immer mehr Menschen der Führung der Sowjets zu.

Oktoberrevolution[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Hauptartikel: Oktoberrevolution

Lenin proklamiert die Macht der Sowjets.

Auf dem 6. Parteitag der Bolschewiki wurde beschlossen, eine bewaffnete Revolution durchzuführen. Im Oktober gründete der Petrograder Sowjet ein Militärisches Revolutionskomitee. Solche speziellen Gremien wurden im ganzen Land gebildet und waren mit jedem Sowjet in den jeweiligen Städten verbunden. Die Minderheiten der Menschewiki und der Sozialrevolutionäre (SR) in den Sowjets lehnten die Revolution ab, jedoch spaltete sich die SR-Partei. Die Gruppe der „Linken-Sozialrevolutionäre“ stellte sich auf die Seite der Bolschewiki.

Die Organisation der bolschewistischen Soldat*innen übernahm die Garnison. Am 24. Oktober besetzte das Militärische Revolutionskomitee die Telegrafen- und Telefonämter sowie andere wichtige Gebäude. Der Kreuzer Aurora, der von bolschewistischen Matros*innen kontrolliert wurde, feuerte einen Schuss ab, der das Signal zum Beginn der Revolution gab. Arbeitende und Soldat*innen stürmten den Winterpalast. Am selben Abend fand ein Sowjetkongress statt, zu dem Delegierte aus dem ganzen Land kamen. Dieser Kongress wählte die neue russische Regierung, die durch die Sowjets der Arbeitende und Soldat*innen bestimmt wurde – die Sowjetregierung. Die Oktoberrevolution hatte die Macht übernommen.

Die Oktoberrevolution zeigte, dass eine Revolution durch das einfache Volk möglich war. Sie bewies, dass der Kapitalismus letztlich unfähig ist, seine inneren Widersprüche zu lösen. Trotz der Einbindung von moderaten Linken in die Regierung vor der Oktoberrevolution blieb die Politik genauso imperialistisch, profitorientiert und unpopulär wie in der Zarenzeit. Die gemäßigten Linken verbesserten den Kapitalismus nicht, sie wurden von ihm instrumentalisiert. Nur die Revolution konnte Russlands Beteiligung am Weltkrieg beenden, Landreformen durchführen, die Krise des unregulierten Kapitalismus bewältigen und den Prozess des Aufbaus eines neuen Wirtschaftsmodells einleiten, das den Bedürfnissen und Interessen der Menschen diente, nicht den Profiten.[6]

Bürgerkrieg[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Hauptartikel: Russischer Bürgerkrieg

Die Oktoberrevolution führte zu einem Bürgerkrieg, in dem die Bourgeoisie versuchten, den Staat zurückzuerobern. 14 kapitalistische Regierungen, darunter die USA, Großbritannien, Frankreich, Japan, Polen und viele weitere, marschierten in Sowjetrussland ein, um die sowjetische Regierung zu stürzen, scheiterten jedoch, was zur Gründung der Sowjetunion führte.[6]

Neue Ökonomische Politik (NEP)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Lenin schlug auf dem 10. Parteikongress im März 1921 die Neue Ökonomische Politik (NEP) vor. Die NEP erlaubte es den Bäuer*innen, ihr Getreide zu behalten und Überschüsse zu verkaufen. Bis 1924 hatte die Sowjetunion ausländische Invasoren und die konterrevolutionären Weißen besiegt und zentrale Industrien verstaatlicht. Trotzki und die Linke Opposition waren der Ansicht, dass die Sowjetunion nur überleben könne, wenn es eine sozialistische Revolution in den imperialistischen Kernländern gäbe. Der 14. Parteikongress 1925 wies die Linke Opposition zurück und entschied sich für eine rasche Industrialisierung, um die sowjetische Wirtschaft an den Westen heranzuführen. Der Zentralkommitee schloss Trotzki und seine Anhänger 1927 aus der Partei aus.[7]:18–25 The Central Committee purged Trotsky and his supporters from the party in 1927.[8]:116–9

Die Rechte Opposition, angeführt von Bucharin und Rykow, unterstützte die NEP stark und förderte private Unternehmen. Sie waren gegen Kollektivierung und rasche Industrialisierung.[7]:18–25 Als die Fünfjahrespläne begannen, wollte Bucharin der Leichtindustrie Vorrang vor der Schwerindustrie einräumen.[8]:35–42

Während der NEP erholte sich die ländliche Wirtschaft von den Kriegsfolgen. Die landwirtschaftliche Produktion der Bäuer*innen im Jahr 1926 war höher als die der Bäuer*innen und der Großgrundbesitzenden zusammen vor dem Ersten Weltkrieg. Die Zahl der Schweine und Rinder war 1928 zwischen 7 % und 10 % höher als 1914. Die Landwirtschaft blieb größtenteils individualisiert. Kulaken und orthodoxe Priester beherrschten weiterhin weite Teile des ländlichen Raums und nahmen weiterhin Land von armen Bauern.[8]:45–61

Industrialisierung und Kollektivierung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

"Erweitert die Front der Stakhanovischen Bewegung."

Mit dem Ende der Neuen Ökonomischen Politik (NEP) im Jahr 1928 erreichten oder übertrafen verschiedene Bereiche der Schwerindustrie das Vorkriegsniveau. Die Sowjetunion begann ihren ersten Fünfjahresplan im Jahr 1928 mit dem Ziel, die Landwirtschaft zu mechanisieren und das Land gegen mögliche Invasoren zu stärken.[8]:35–42 Zwischen 1928 und 1940 wuchs die Industrieproduktion jährlich um durchschnittlich 11 %. Die Rate der Lese- und Schreibefähigen stieg von 46 % auf 80 % an.[7]:18–25

1936 verabschiedete die Sowjetunion eine neue Verfassung, die die Verfassung von 1924 ersetzte. Diese garantierte Gleichberechtigung der Geschlechter, Rassen und Nationen sowie Religions-, Rede- und Pressefreiheit. Zudem führte sie allgemeines Wahlrecht und eine gleichberechtigte Wahl von Abgeordneten ein, wobei zuvor städtische Gebiete überrepräsentiert waren.[9]

Zwischen 1938 und 1941 wuchs die Rote Armee von zwei auf sechs bis sieben Millionen Soldat*innen. Der Bau von Eisenbahnen und Fabriken in den Ural, Sibirien und Zentralasien setzte sich fort.[8]:35–42

Industrialisierung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die industrielle Produktion der Sowjetunion verdoppelte sich zwischen 1929 und 1933. Währenddessen schrumpften die Volkswirtschaften kapitalistischer Länder aufgrund der Weltwirtschaftskrise, die die Sowjetunion nicht betraf. Die Stromerzeugung erreichte 1935 4,07 Gigawatt und übertraf damit Lenins Ziel um 133 %.

Zwischen 1928 und 1932 verdoppelte sich die Zahl der Industriearbeitenden in der UdSSR von drei auf sechs Millionen, und es wurden Industriezentren im Ural und in Sibirien gegründet. 1932 wurden 56 % des nationalen Einkommens der UdSSR in Kapitalausgaben reinvestiert.

Kollektivierung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eine Reihe von Missernten in den Jahren 1924, 1927 und 1928 führte dazu, dass die sowjetische Regierung Getreide von den Kulaken beschlagnahmte, um eine Hungersnot in den Städten zu vermeiden. Die Regierung entschied, die Landwirtschaft so schnell wie möglich zu kollektivieren, aber Bucharin war dagegen und glaubte, dass die Kulakenproduktion sich von selbst zu Kollektivbetrieben entwickeln würde. 1929 mussten Städte Brot, Fleisch, Zucker und Tee rationieren. Das Zentralkomitee begann offiziell im November 1929 mit der Kollektivierung und teilte die UdSSR in drei Regionen ein, die bis zum Frühjahr 1931, 1932 bzw. 1933 kollektiviert werden sollten.

Im Oktober 1929 hatten Kollektivfarmen (Kolchosen) die Kulaken übertroffen, und 7,5 % der Bäuer*innen waren bereits den Kollektivbetrieben beigetreten. Die Bäuer*innen enteigneten Kulaken, viele von ihnen wurden ins Exil geschickt. Bis Januar 1930 waren 18,1 % der Bauernfamilien kollektiviert, darunter mehr als 39 % in der Wolga- und Uralregion. Einige lokale Behörden versuchten, die Kollektivierung zu schnell voranzutreiben, weshalb das Zentralkomitee Delegierte entsandte, um die Kollektivierung zu beaufsichtigen.

Im Januar 1930 schickte die Partei 25.000 Industriearbeitende aufs Land, um bei der Kollektivierung zu helfen und Exzesse zu verhindern. Diese Arbeitenden organisierten Alphabetisierungskampagnen und beendeten den Kreislauf der Hungersnöte, die über Jahrhunderte existiert hatten.

Während des ersten Fünfjahresplans wuchs die Anbaufläche von 118 Millionen Hektar auf 129,7 Millionen Hektar. 1929 waren nur 3,9 % der Höfe kollektiviert, aber bis 1933 waren 75 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche in Kollektivbetrieben, 10,8 % in Staatsbetrieben (Sowchosen) und 15,7 % wurden von Einzelbäuer*innen bewirtschaftet. Während dieser Zeit wurden über 167.000 Kollektivbetriebe gegründet. Die Anzahl der Traktoren stieg während des ersten Fünfjahresplans von 34.900 auf 204.100, und die Zahl der Mähdrescher von 1.700 auf 13.500.

Während des zweiten Fünfjahresplans erholte sich der Viehbestand von den Sabotageakten der Kulaken. Bis 1938 gab es mehr als doppelt so viele Schafe, Ziegen und Schweine wie 1933. Die Zahl der Rinder stieg um 64,6 %, und die Anzahl der Pferde wuchs um 5,4 %. Die Menge an landwirtschaftlicher Maschinerie nahm weiter zu, und die Zahl der Traktoren stieg auf 483.500.

Innere Konflikte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Anfang 1932 sandte Leo Trotzki Briefe an Radek, Sokolnikow und Preobraženski, in denen er sie ermutigte, sich gegen Stalin zu stellen. Im Dezember 1934 ermordete Leonid Nikolajew Sergei Kirow in einem Parteibüro in Leningrad. Trotzki-Anhängende Grigori Sinowjew soll die Ermordung inspiriert haben.[8]:116–9

Auch Mitglieder der Rechten Opposition planten den Sturz der sowjetischen Regierung. Der Moskauer Parteiführer Martemjan Rjutin veröffentlichte ein 200-seitiges Programm, das den Sturz der KPdSU-Führung und die Entkollektivierung forderte.[8]:135–41


1937 wurden Marschall Tuchatschewski und andere Militärbeamte hingerichtet, weil sie angeblich geplant hatten, Stalin zu ermorden und eine pro-deutsche Regierung zu installieren. Um einen napoleonartigen Militärputsch zu verhindern, wurde das System der politischen Kommissare aus dem Bürgerkrieg wieder eingeführt.[8]:150–2 1939 traf sich Oberst Tokaev mit fünf hochrangigen Offizieren der Roten Armee, um einen Plan zu diskutieren, Stalin im Falle eines Krieges zu stürzen.[8]:135–41

Im Juli 1937 veröffentlichten Stalin und Molotow eine Liste von 72.950 sogenannten Verbrecher*innen und Saboteur*innen, die hingerichtet werden sollten. Jeschow unterzeichnete die Liste, wobei alle Hinrichtungen von Dreiergremien (Troikas) genehmigt werden mussten. Ende 1937 versuchten lokale Behörden, die Hinrichtungsquoten zu erhöhen und unschuldige Parteimitglieder zu säubern. Im Januar 1938 kritisierte das Zentralkomitee die übermäßige Repression, und Beria beschuldigte Jeschow Ende 1938 sogar, ein Nazi-Agent zu sein. Am 11. November 1938 ordnete Stalin an, die Säuberungen zu beenden.[8]:166–7

Zweiter Weltkrieg[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Hauptartikel: Zweiter Weltkrieg

"Tod den deutschen Invasoren!"

Entgegen der Propaganda, die behauptete, Stalin sei auf den Krieg nicht vorbereitet gewesen, äußerte Stalin am 31. Januar 1931 die Bedeutung des Aufbaus einer industriellen Basis im Ural, in Sibirien und Kasachstan.[10] Nach der italienischen Invasion Äthiopiens 1935 schlug die UdSSR ein kollektives Sicherheitssystem für Europa vor und unterzeichnete Verteidigungsverträge mit Frankreich und der Tschechoslowakei. Deutschland und Japan schlossen im November 1936 den Antikominternpakt, dem Italien kurz darauf beitrat. Im Mai 1938 entsandte die UdSSR 40 Divisionen, um die Westgrenze der Tschechoslowakei vor Deutschland zu schützen. Doch Großbritannien und Frankreich verhandelten mit Deutschland und erlaubten den Nazis, das Sudetenland zu annektieren. Als die Nazis den Rest der Tschechoslowakei überfielen, nahm die UdSSR erneut Verhandlungen mit Großbritannien und Frankreich auf. Diese lehnten jedoch ein Bündnis ab, und Großbritannien schloss stattdessen ein geheimes Abkommen mit den Nazis, um das Britische Reich zu schützen. Auch Polen verweigerte ein Verteidigungsabkommen gegen Deutschland. Zwischen Mai und August 1939 wehrte die UdSSR einen japanischen Angriff auf die Mongolei ab.[8]:185–7

Im März 1941 entsandte Stalin 800.000 Reservist*innen an die Westgrenze der UdSSR. Am 21. Juni berichtete ein deutscher Deserteur, dass die Nazis in der folgenden Nacht angreifen würden. Timoschenko und Schukow alarmierten alle Einheiten und ordneten an, die Feuerstellungen in den befestigten Gebieten zu besetzen. Am Morgen des 22. Juni bombardierte Deutschland Grenzstädte, und Stalin berief das Politbüro ein. Zwei Tage nach der Nazi-Invasion gelang es den Sowjets, über 1500 große Industriebetriebe hinter den Ural zu verlegen.[11] Am 26. Juni begann die Rote Armee, 300 km hinter den Frontlinien eine Reservefront aufzubauen. Die Nazis durchbrachen die Westfront und näherten sich am selben Tag Minsk.[8]:191–223 Hitler zeigte sich überrascht von der sowjetischen Widerstandskraft und stellte fest, dass sie Eisenbahnlinien nutzten, die nicht auf den Karten verzeichnet waren, und riesige Fabriken errichtet hatten, wo zuvor nur Dörfer existierten. Er äußerte erstaunt: „Wie ist es möglich, dass ein so primitives Volk solche technischen Errungenschaften in so kurzer Zeit erreicht?“[12]

Während des Zweiten Weltkriegs übernahm die Sowjetunion die Kontrolle über die baltischen Staaten und befreite sie von der faschistischen Herrschaft.[13]:78–82 Am 8. August 1945, genau drei Monate nach der Niederlage Nazideutschlands, marschierten sowjetische Truppen in die Mandschurei und Korea ein, und Japan kapitulierte innerhalb einer Woche.[14]:72 Die UdSSR und die USA einigten sich darauf, Korea vorübergehend entlang des 38. Breitengrades zu teilen, wobei die Besatzung nicht länger als fünf Jahre dauern sollte. Die Sowjets verließen Korea Ende 1948, aber das US-Militär blieb und besetzt Südkorea bis heute.[14]:79

Nachkriegszeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Stalins letzte Jahre[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Vierte Fünfjahresplan begann im Februar 1946, und die Industrie erholte sich bis 1948 auf Vorkriegsniveau. Bis 1950 war die industrielle Produktion um 73 % höher als 1940, und die Konsumgüterproduktion stieg um 23 %. 1947 entwickelte die Sowjetunion ihre erste Atombombe, womit das nukleare Monopol der USA endete.[8]:239–45

Nach dem Krieg wollten Stalin und Schdanow zunächst die Ausgaben für Militär und Schwerindustrie reduzieren. Stalin änderte jedoch seine Meinung, als der Marshallplan und die Truman-Doktrin zeigten, dass die USA entschlossen waren, die UdSSR zu schwächen. Bis 1952 erreichte die industrielle Produktion das 2,5-fache des Niveaus vor dem Zweiten Weltkrieg.[7]:18–53

Die Sowjetunion erkannte Israel kurz nach dessen Gründung an, revidierte jedoch 1953 ihre Position und unterstützte Ägypten im Sechstagekrieg.[13]

Chruschtschow-Ära[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach Stalins Tod 1953 wurde Nikita Chruschtschow Erster Sekretär der KPdSU und Georgi Malenkow Vorsitzender des Ministerrates. Unter Chruschtschows Führung verhaftete das Zentralkomitee heimlich Lawrenti Beria, den Leiter des NKWD, und begann, Konterrevolutionäre aus den Gefängnissen zu entlassen.

Im Januar 1954 führte Chruschtschow die Neulandkampagne ein, um die landwirtschaftliche Produktion durch den Anbau neuer Gebiete in Sibirien und Kasachstan zu steigern. In den ersten beiden Jahren bewirtschafteten 300.000 Freiwillige insgesamt 27 Millionen Hektar Land. Molotow kritisierte diese Politik, da sie Ressourcen von der Industrialisierung ablenkte. Obwohl die Kampagne 1956 ihren Höhepunkt erreichte, ging sie danach zurück und endete 1964.

Chruschtschow hielt 1956 eine "Geheimrede", in der er Stalin verurteilte. Obwohl die Mehrheit des Zentralkomitees die Rede unterstützte, kritisierten Molotow, Malenkow, Kaganowitsch und Woroschilow sie als unausgewogen. 1957 stimmte das Präsidium 7 zu 3 für die Absetzung Chruschtschows. Daraufhin wurden Molotow, Malenkow und Kaganowitsch aus ihren Ämtern entfernt.

Chruschtschow dezentralisierte die Wirtschaftsplanung und ersetzte sie durch lokale Planungsbehörden. Er erlaubte die Veröffentlichung konterrevolutionärer Propaganda, darunter auch Werke von Solschenizyn. Zudem verschlechterte sich die Qualität der Kader, da er eine Massenrekrutierung in die Partei zuließ und bei jeder Wahl den Austausch eines Drittels der Beamten vorschrieb. Er teilte die Partei in Industrie- und Landwirtschaftssektionen auf.[7]:18–53

In den späten 1950er Jahren zog die Sowjetunion das Karachan-Manifest von 1920 zurück, was alle vom Russischen Reich besetzten chinesischen Gebiete an China zurückgab.[15]

Breschnew-Ära[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1964 wurde Chruschtschow von der KPdSU abgesetzt, und die zentrale Planung wieder eingeführt. Leonid Breschnew wurde Chruschtschows Nachfolger als Generalsekretär und blieb bis 1982 im Amt. Er hob Chruschtschows Austauschpolitik auf und führte eine Stabilitätspolitik ein, die Veränderungen in der Führung verhinderte. Er schaffte auch die Aufteilung der Partei und die Massenrekrutierung ab. Obwohl die Breschnew-Ära oft als Zeit der Stagnation angesehen wird, wuchs die sowjetische Wirtschaft weiterhin doppelt so schnell wie die westlichen Volkswirtschaften. Allerdings förderte Breschnew auch Nepotismus und Korruption.[7]:18–53 Zudem wuchs während dieser Zeit der Schwarzmarkt, was zur Entstehung einer kleinbürgerlichen Klasse führte.[7]:63

Andropow-Jahr[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach Breschnews Tod 1982 wurde Juri Andropow zum Generalsekretär gewählt. Er versuchte, die Revisionismus seiner Vorgänger rückgängig zu machen, starb jedoch nach nur 15 Monaten Amtszeit an Nierenversagen. Er plante, die sowjetische Technologie zu modernisieren, die Wirtschaftsplanung zu verbessern und Fehlzeiten sowie Alkoholkonsum am Arbeitsplatz zu bekämpfen.[7]:18–53

Niedergang und Konterrevolution[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Glasnost und Perestroika[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Michail Gorbatschow wurde 1985 Generalsekretär der KPdSU und führte liberale Reformen ein. Eine Gruppe um Ministerpräsident Nikolai Ryschkow favorisierte den Einsatz von Wissenschaft und Technologie zur Steigerung der Produktion anstelle von Gorbatschows Privatisierungspolitik. ZK-Sekretär Lew Saikow unterstützte eine Änderung der Investitionspolitik sowie die Förderung von Inspektionen und Lohndifferenzen. Der stellvertretende Generalsekretär Jegor Ligatschow lehnte Konsumismus und Korruption ab und trat für Zentralplanung und Disziplin ein.[7]:110–1

Auf der 19. Parteikonferenz im Juni 1988 schlug Gorbatschow ein neues Regierungssystem vor. Dieses bestand aus einem Kongress der Volksdeputierten, bei dem 50 % der Sitze für Nicht-Parteimitglieder reserviert waren, sowie einem kleineren Obersten Sowjet, der vom Kongress gewählt werden sollte. Der Kongress sollte eine*n Exekutivpräsident*in anstelle des Rates der Volkskommissare wählen.[7]:148–9

Gorbatschow beendete 1988 die Unterstützung für sowjetische Verbündete in Afghanistan und Osteuropa, was weit verbreitete konterrevolutionäre Bewegungen ermöglichte. Er und Jakowlew ignorierten nationalistische und separatistische Bewegungen im Baltikum. Gorbatschow reagierte auch nicht auf nationale Unruhen in Kasachstan und schürte sogar eine Rebellion von Armenier*innen in Bergkarabach, um seine politischen Gegner zu diskreditieren.[7]:157–64 Wirtschaftliche Engpässe, verursacht durch Gorbatschows Politik, wirtschaftliche Sanktionen und die Beteiligung am Wettrüsten, die erhebliche finanzielle und materielle Ressourcen in Anspruch nahm, waren an der Tagesordnung.

Zwischen 1989 und 1991 wandelte Gorbatschow die KPdSU von einer Avantgardepartei in eine parlamentarische Partei um, schwächte die Zentralplanung, förderte Schwarzmarktaktivitäten, ermöglichte westliche Medieninfiltration durch Glasnost und gab in der Außenpolitik gegenüber den USA nach, da er den Antiimperialismus aufgab und westliche Unterstützung suchte. In der Nationalitätenfrage änderte er mehrmals seine Position und versuchte zunächst, baltische Separatist*innen zu unterdrücken, bevor er mit ihnen verhandelte.[7]:170–205

Jelzin-Gorbatschow-Konflikt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Wahlen zum Kongress der Volksdeputierten im März 1989 führten zu einer Überrepräsentation von Intellektuellen und einer Unterrepräsentation von Arbeitenden und Bäuer*innen. 87 % der Mitglieder gehörten der KPdSU an, aber 44 % der Parteimitglieder, die ohne Gegenkandidat*innen antraten, wurden nicht gewählt. Boris Jelzin wurde gewählt, während viele Parteiführer ihre Positionen verloren. Die Mitglieder des Kongresses stellten grundlegende Ideen des Marxismus-Leninismus wie die Avantgardepartei und die marxistische Wirtschaftstheorie infrage.

1989 begann ein massiver Bergarbeitendenstreik, der erste bedeutende Arbeitskonflikt seit den 1920er Jahren. Die Regierung lieferte große Mengen an Nahrungsmitteln und Gütern in die Bergbaugebiete.

Bis Anfang 1990 bestand ein System der Doppelherrschaft, in dem Gorbatschow die UdSSR und Jelzin Russland kontrollierte. Zwischen 1989 und 1991 übernahm Jelzin die Kontrolle über die meisten sowjetischen Medien und bis März 1990 auch die Macht in Moskau und Leningrad. Anti-sowjetische Gruppen wie die sozialdemokratische Demokratische Plattform und die marktsozialistische Marxistische Plattform bildeten sich innerhalb der KPdSU. Nach dem 28. Parteitag im Juli 1990 verließen Jelzin und die Demokratische Plattform die KPdSU, während Linksoppositionelle wie Ligatschow die KP Russlands (KPRF) gründeten. Die Partei brach nach dem Parteitag zusammen und stand vor der Insolvenz.

Gorbatschow reduzierte den Einfluss der KPdSU auf die Sowjetarmee und verkleinerte die Armee von 5,3 Millionen auf unter 4 Millionen Soldat*innen. Noch im Mai 1990 lehnte 70 % des Zentralkomitees Gorbatschows Politik ab, und die Mehrheit der Arbeitenden stimmte im März 1991 für den Erhalt der Sowjetunion. Gewinne aus dem Schwarzmarkt und organisierte Kriminalität finanzierten prokapitalistische Politiker*innen. Die Gruppe Demokratisches Russland wandte sich gegen die Avantgardepartei und befürwortete die parlamentarische Kontrolle des KGB, eine Marktwirtschaft und die Souveränität der RSFSR.

Im Juli 1990 entließ Gorbatschow Ryschkow aus seinem Amt und schloss eine Vereinbarung mit Jelzin, damals Vorsitzender des Obersten Sowjets der RSFSR. Ryschkow und sein Ökonom Leonid Abalkin hatten einen sechsjährigen Plan für eine schrittweise Privatisierung vorgeschlagen, doch Gorbatschow und Jelzin entschieden sich für Stanislaw Schatalin, der die Wirtschaft innerhalb von 500 Tagen privatisieren sollte. Der Plan übertrug die Steuerhoheit auf die Republiken und stellte die Gesetze der Republiken über die allunionsweiten Gesetze. Gorbatschow kritisierte den Plan schließlich als zu schnell, doch seine Anhänger, darunter Jakowlew, Schewardnadse, Schachnazarow, Medwedew und Tschernjajew, unterstützten ihn.[7]:170–205

Augustputsch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Hauptartikel: Augustputsch

Der Augustputsch fand vom 19. bis 22. August 1991 statt und war ein Versuch von Hardlinern innerhalb der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU), den revisionistischen Michail Gorbatschow aus dem Amt zu entfernen und seine Politik rückgängig zu machen. Der Putsch wurde von hochrangigen Militär- und Zivilbeamt*innen geplant, darunter Vizepräsident Gennadi Janajew, die zusammen das Staatliche Komitee für den Ausnahmezustand (GKChP) bildeten.

Die Hardliner des GKChP entsandten KGB-Agent*innen, die Gorbatschow in seiner Datscha auf der Krim festsetzten, es jedoch versäumten, den kürzlich gewählten Präsidenten des neu formierten Russlands, Boris Jelzin, zu verhaften. Jelzin, der sowohl ein Verbündeter als auch ein Kritiker Gorbatschows gewesen war, entging der Festnahme. Das Scheitern des Putsches spielte eine entscheidende Rolle in der Konterrevolution, die vier Monate später, im Dezember 1991, zum Zusammenbruch der Sowjetunion führte.

Auflösung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Hauptartikel: Auflösung der UdSSR

Der Zusammenbruch der Sowjetunion war ein Prozess der bürgerlichen Konterrevolution, der im Dezember 1991 zur Auflösung der UdSSR in unabhängige Staaten führte. Zu den verschiedenen Ursachen für die Auflösung zählte die Herausbildung einer bürgerlichen Klasse innerhalb der UdSSR, die durch eine „Schattenwirtschaft“ entstand und ihre Interessen durch korrupte Beamte der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU) sicherte. Es wird allgemein angenommen, dass die politischen und wirtschaftlichen Maßnahmen unter Chruschtschow, Breschnew und letztlich Gorbatschow den Weg für die Konterrevolution in der UdSSR bereiteten.

Regierung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wahlen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kontrast der britischen und sowjetischen Wahlsysteme.

Vor 1936 durften Priester, Großgrundbesitzer, Kapitalisten und ehemalige Weißgardisten nicht wählen. Die sowjetische Verfassung von 1936 hob diese Beschränkungen auf, sodass alle Staatsbürger*innen ab 18 Jahren wählen durften, mit Ausnahme von als „geisteskrank“ eingestuften Personen sowie verurteilten Kriminellen, die durch ein Gericht ihr Wahlrecht verloren hatten. Nach der Verfassung von 1924 wählten die Staatsbürger*innen nur die unterste Ebene der Vertretenden, während höhere Sowjets indirekt gewählt wurden. Die Verfassung von 1936 führte die direkte Wahl aller Sowjets von der lokalen bis zur gesamtunionalen Ebene ein.[16]

Oberster Sowjet[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Oberste Sowjet der Sowjetunion war das gesetzgebende Organ der UdSSR und wurde alle vier Jahre gewählt. Er bestand aus zwei Kammern: dem Sowjet der Union, der nach Bevölkerungszahl gewählt wurde, und dem Sowjet der Nationalitäten, der nach den Republiken, Autonomen Sozialistischen Sowjetrepubliken (ASSR), autonomen Gebieten und autonomen Kreisen der Sowjetunion gewählt wurde. Beide Kammern konnten Gesetze einbringen, die von beiden Kammern per Mehrheitsbeschluss verabschiedet werden mussten, um Gesetzeskraft zu erlangen. Jede Kammer wählte einen Vorsitzenden und zwei Stellvertreter, die ihre Sitzungen leiteten, die zweimal jährlich stattfanden. Das Präsidium des Obersten Sowjets konnte zudem Sondersitzungen einberufen.[17] Vor 1936 war der Oberste Sowjet als Kongress der Sowjets bekannt, und der Sowjet der Union trug den Namen Föderaler Sowjet.[18]

Der Föderale Sowjet wurde mit einem Abgeordneten pro 25.000 Stadtbewohner oder 125.000 Landbewohner gewählt.[18] Nach 1936 hatte der Sowjet der Union einen Abgeordneten für je 300.000 Einwohner.[17]

Von 1924 bis 1936 hatte der Sowjet der Nationalitäten fünf Abgeordnete für jede Unionsrepublik und einen für jede autonome Republik und jedes autonome Gebiet.[18] Ab 1936 änderte sich dies zu 25 Abgeordneten pro Unionsrepublik, zehn pro ASSR, fünf pro autonomes Gebiet und einem pro autonomen Kreis.[17] 1977 wurde es erneut geändert, sodass jede SSR 32 Abgeordnete und jede ASSR 11 Abgeordnete stellte.[19]

Präsidium[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Präsidium des Obersten Sowjets der Sowjetunion wurde in einer gemeinsamen Sitzung des Sowjets der Union und des Sowjets der Nationalitäten gewählt. Es bestand aus einer*m Präsidentin*en, einer*m Sekretär*in, einer*m Vizepräsidentin*en aus jeder Unionsrepublik und 24 weiteren Mitgliedern.[18]

Rat der Volkskommissare[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Rat der Volkskommissare (Sownarkom) bildete die Exekutive der UdSSR und wurde in einer gemeinsamen Sitzung des Sowjets der Union und des Sowjets der Nationalitäten gewählt.[18]

Oberster Gerichtshof[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Oberste Gerichtshof war das höchste Gericht der Sowjetunion und wurde alle fünf Jahre vom Obersten Sowjet gewählt.[18]

Verwaltungsgliederung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die UdSSR war laut Verfassung ein Bund von Unionsrepubliken, die entweder Einheitsstaaten wie die Ukraine oder Weißrussland (SSR) oder Föderationen wie Russland oder Transkaukasien (SFSR) waren. Diese vier Republiken unterzeichneten im Dezember 1922 die Erklärung und den Vertrag zur Gründung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken. Während der nationalen Abgrenzung in Zentralasien 1924 wurden Usbekistan und Turkmenistan aus Teilen der russischen Turkestan-ASSR sowie den sowjetischen Abhängigkeiten der Choresm- und Buchara-SSR gegründet. 1929 wurde Tadschikistan von der Usbekischen SSR abgespalten. Mit der Verfassung von 1936 wurde die Transkaukasische SFSR aufgelöst, was zur Erhebung ihrer Teilrepubliken Armenien, Georgien und Aserbaidschan zu Unionsrepubliken führte. Gleichzeitig wurden Kasachstan und Kirgisien von der RSFSR abgespalten und erhielten denselben Status.[20] Im August 1940 wurde Moldawien aus Teilen der Ukraine und Bessarabien sowie der Ukrainischen SSR gebildet. Estland, Lettland und Litauen (SSR) wurden ebenfalls in die Union aufgenommen. Karelien wurde im März 1940 von Russland abgespalten und 1956 wieder eingegliedert. Zwischen Juli 1956 und September 1991 bestand die Sowjetunion aus 15 Unionsrepubliken.[21]

Obwohl die Sowjetunion nominell eine Union gleichberechtigter Republiken war, wurde sie in der Praxis von den Russen dominiert. Diese Dominanz war so ausgeprägt, dass das Land während eines Großteils seiner Existenz oft fälschlicherweise als „Russland“ bezeichnet wurde. Obwohl die RSFSR formal nur eine von vielen Republiken der Union war, war sie mit Abstand die größte, mächtigste und am weitesten entwickelte Republik. Zudem war die RSFSR das industrielle Zentrum der Sowjetunion.

Republik Karte der Unionsrepubliken zwischen 1956 und 1991
1 Armenische SSR
2 Aserbaidschanische SSR
3 Belarussische SSR
4 Estnische SSR
5 Georgische SSR
6 Kasachische SSR
7 Kirgisische SSR
8 Lettische SSR
9 Litauische SSR
10 Moldawische SSR
11 Russische SFSR
12 Tadschikische SSR
13 Turkmenische SSR
14 Ukrainische SSR
15 Usbekische SSR

Wirtschaft[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der Sowjetunion verdienten die reichsten Menschen etwa fünfmal so viel Geld wie die ärmsten. Im Vergleich zu den Vereinigten Staaten, wo Milliardäre das Tausendfache des Geldes der ärmsten Arbeitenden besitzen, war dieser Einkommensunterschied gering.[22] 1926 machten die Bäuer*innen 83 % der Bevölkerung aus, 1975 jedoch nur noch 20 %, während die Zahl der Industriearbeitenden im gleichen Zeitraum von fünf auf 62 Millionen anstieg.[7]:63

Planwirtschaft[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

"Schockarbeit für den zehnten Fünf-Jahres-Plan!"

Die sowjetische Wirtschaft war eine Planwirtschaft, in der ein Großteil der Wirtschaftsplanung von Teams aus Mathematiker*innen und Ökonom*innen unterstützt wurde. Diese Pläne wurden in Form von Fünfjahresplänen erlassen.

In diesen Fünfjahresplänen wurden Produktionsquoten festgelegt, um das Wachstum der sowjetischen Wirtschaft zu fördern. Diese Quoten basierten auf früheren Produktionsrekorden, der verfügbaren Technologie und vielen anderen Faktoren.

Landwirtschaft[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die landwirtschaftlichen Betriebe und die landwirtschaftliche Ausrüstung waren in der UdSSR in kollektivem Besitz. Die Getreideproduktion stieg von den späten 1950er bis zu den späten 1970er Jahren um 63 % auf 199 Millionen Tonnen pro Jahr. In den späten 1950er Jahren begann die UdSSR, den Anteil des als Tierfutter verwendeten Getreides zu erhöhen, um die Fleisch-, Eier- und Milchproduktion zu steigern. Die gesamte landwirtschaftliche Produktion stieg zwischen 1950 und 1977 um 147 %, während die Produktion in den USA im gleichen Zeitraum nur um 64 % zunahm.

Die geografischen Gegebenheiten der UdSSR erschwerten die Landwirtschaft, da nur 10 % des Landes für den Getreideanbau geeignet waren und 30 % zu kalt für jegliche Landwirtschaft waren[13]:128–40

Wohnen und Bauen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach der Oktoberrevolution zogen Hunderttausende von Arbeitenden aus den Slums in verstaatlichte Häuser. Im Jahr 1919 wurde ein Dekret erlassen, das eine Mindestwohnfläche von 8,25 Quadratmetern pro Person, 30 Kubikmeter Luftraum für jede*n Erwachsene*n und 20 Kubikmeter für jedes Kind vorschrieb. Dieser Raum umfasste nur Wohn- und Schlafräume, nicht aber Badezimmer oder Eingänge. Die Miete wurde in der Sowjetunion auf unter 4 % des Gesamteinkommens der Arbeitenden gehalten,[23] und ihr Anteil am Einkommen sank allmählich, da die Miete nach 1928 überhaupt nicht mehr erhöht wurde.[13]:128–40

Im Jahr 1920 wurden 254 Wohngebäude gebaut und 2.347 instand gesetzt. Von 1923 bis 1927 wurden 12,5 Millionen Quadratmeter Wohnfläche gebaut. Von 1927 bis 1931 wurden weitere 28,85 Millionen gebaut. Die durchschnittliche Wohnfläche pro Arbeiter*in stieg seit der Revolution bis 1938 stark an: in Moskau um 94 %, in Leningrad um 100 %, im Donbass um 176 % und im Ural um 195 %.[23]

Infrastruktur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Transport[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Standardtarif für die sowjetische U-Bahn betrug nur fünf Kopeken, was etwa acht US-Cent entsprach, und blieb von den 1930er- bis in die 1980er-Jahre konstant.[13]:128–40

Demographie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nationen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nationalitäten in den Republiken[13]:52–7
Republik Lokale Nationalität (1979) Russische Bevölkerung (1979) Veränderung der lokalen Nationalitäten (1959–1979)
Armenien 89.7% 2.3% +1.7%
Aserbaidschan 78.1% 7.9% +10.6%
Belarus 79.4% 11.9% -1.7%
Estland 64.7% 27.9% -9.9%
Georgien 68.8% 7.4% +4.5%
Kasachstan 36.0% 40.8% +6.0%
Kirgisistan 47.9% 25.9% +7.2%
Lettland 53.7% 32.8% -8.3%
Litauen 80.0% 8.9% +0.7%
Moldavien 63.9% 12.8% -1.5%
Russland 82.6% 82.6% -0.7%
Tadschikistan 58.8% 10.4% +5.7%
Tatarstan[note 1] 49.1% +1.9%
Turkmenistan 68.4% 12.6% +7.5%
Ukraine 73.6% 21.1% -3.2%
Usbekistan 68.7% 10.8% +7.6%

Sprachen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Sprachen in den Republiken (1970)[13]:52–3
Republik Muttersprechende der einheimischen Sprache Buchtitel in der einheimischen Sprache Zeitungen in der einheimischen Sprache
Armenien 91.4% 75% 88%
Aserbaidschan 98.2% 64% 80%
Belarus 80.2% 21% 75%
Estland 95.5% 74% 72%
Georgien 98.4% 73% 86%
Kasachstan 98.0% 31% 37%
Kirgisistan 98.8% 47% 55%
Lettland 95.2% 52% 64%
Litauen 97.9% 64% 81%
Moldawien 95.0% 31% 47%
Russland 93% 93%
Tadschikistan 98.5% 52% 84%
Tatarstan 89.2%
Turkmenistan 98.9% 65% 70%
Ukraine 85.7% 37% 80%
Usbekistan 98.6% 44% 57%

In mehreren Republiken war die Auflage von Büchern und Zeitungen in der jeweiligen Landessprache weitaus höher als der Anteil der Buchtitel. So war in Kasachstan die Mehrheit der einzelnen Bücher auf Kasachisch, obwohl nur 31 % der Titel auf Kasachisch waren. In Aserbaidschan machten Zeitschriften in aserbaidschanischer Sprache 97 % der Gesamtauflage aus.[13]:52

Lebensstandard[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1917 verkürzten die Bolschewiki den Arbeitstag auf 8 Stunden. Arbeitende hatten Anspruch auf 12 bis 48 garantierte Urlaubstage pro Jahr. Im Durchschnitt konsumierte eine Person in der Sowjetunion über 3.000 Kilokalorien pro Tag und hatte eine bessere Ernährung als in den USA. In den 1980er Jahren hatte die Sowjetunion die siebtbeste Ernährung weltweit. Die sowjetischen Staatsbürger*innen nahmen im Schnitt 103 Gramm Eiweiß pro Tag zu sich, mehr als in Großbritannien, Westdeutschland, Schweden oder Italien, und hatten eine höhere Kalorienzufuhr als in Großbritannien, Westdeutschland oder Schweden.[13]:128–40

Die Rate der Lese- und Schreibfähigen stieg von unter 30 % vor der Revolution auf 87,4 % im Jahr 1939 und erreichte bis 1970 100 %.[5]

Grundnahrungsmittel wie Brot, Fleisch, Milchprodukte und Kartoffeln waren stark subventioniert. Wohnen, Medizin, Transport und Versicherungen machten zusammen nur 15 % des Einkommens einer durchschnittlichen Familie aus.[13]:128–40

Arbeitsbedingungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In den späten 1960er Jahren führte die Sowjetunion die 40-Stunden-Woche ein. Die Verfassung von 1977 setzte das Maximum bei 41 Stunden fest, mit Ausnahmen für nationale Sicherheit, Katastrophenvermeidung, sozial notwendige Arbeiten wie Transport, Wasserversorgung und Elektrizität, Arbeiten zur Vermeidung von Schäden an Produktionsmitteln sowie Reparaturen und Wartungen, um andere Arbeitende nicht arbeitslos zu machen.

Arbeitende in der gesamten UdSSR hatten Anspruch auf drei Wochen bezahlten Urlaub sowie optionalen unbezahlten Urlaub. Personen, die nachts oder in gefährlichen Industrien wie dem Kohlebergbau arbeiteten, hatten Arbeitszeiten von sechs oder sieben Stunden, wurden aber für acht Stunden bezahlt.[13]:128–40

Bildung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bildung in der Sowjetunion war kostenlos[24] und zwischen dem 8. und 15. Lebensjahr verpflichtend. Es gab auch zehnjährige Schulen, die bis zum Alter von 18 Jahren gingen, wobei die letzten drei Jahre vor dem zweiten Weltkrieg nicht obligatorisch waren. Der Lehrplan umfasste Naturwissenschaften, Kunst, Musik, Sozialwissenschaften und Fremdsprachen.[25] Schultage dauerten je nach Alter zwischen 4,5 und 6 Stunden.[25] Bildung war in 52 verschiedenen Sprachen verfügbar.[26]

Anzahl der Schüler*innen
1913 1929 1933 1942
7-jährige Schulen 6,800,000 11,700,000 21,300,000 23,000,000
10-jährige Schulen 1,000,000 2,700,000 5,500,000 17,000,000
Total 7,800,000 14,400,000 33,400,000 40,000,000

Zwischen 1932 und 1937 wurden in der Sowjetunion 20.000 Schulen gebaut. Zwischen 1938 und 1941 wurden weitere 20.000 Schulen errichtet und 500.000 neue Lehrkräfte ausgebildet. Im Zeitraum von 1913 bis 1940 stieg die Zahl der Bibliotheken in der UdSSR um 57.400 an. 12 % des nationalen Haushalts der Sowjetunion wurden für das Bildungswesen ausgegeben.

Kinder ab 12 Jahren bildeten Komitees, um das Schuleigentum zu pflegen und anderen Schüler*innen zu helfen. Körperliche Bestrafung war gesetzlich verboten.[25]

Alphabetisierungsraten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

„Um mehr zu haben, müssen wir mehr produzieren. Um mehr zu produzieren, müssen wir mehr wissen.“

Vor der Oktoberrevolution waren die meisten Menschen in Zentralasien Analphabeten. Bis Ende der 1930er Jahre konnten die meisten Menschen in der gesamten Sowjetunion lesen, und in den späten 1950er Jahren war die Alphabetisierung nahezu universell verbreitet.[22]

Vorschule[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Freiwillige Vorschule und Kindergarten standen in der Sowjetunion vom Säuglingsalter bis zum Alter von acht Jahren zur Verfügung. 1932 waren 600.000 Kinder in Kindertagesstätten, und diese Zahl stieg bis 1937 auf drei Millionen an.[25] Die Kinderbetreuung war entweder kostenlos oder sehr günstig.[13]:128–40

Universitäten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Jahr 1940 gab es in der UdSSR 700 Universitäten mit 650.000 eingeschriebenen Studenten. In Belarus gab es 22 Universitäten, in Aserbaidschan 13 und in Usbekistan 30.[25] Die Sowjetunion hatte eine der weltweit höchsten Universitätsbesuchsquoten.[13]:128–40

Gesundheit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

„Ehre und Respekt dem Landarzt! Der Arzt ist der Freund des Volkes!“

Nikolai Semaschko, Volkskommissar für das Gesundheitswesen von 1918 bis 1930, schlug ein Gesundheitssystem vor, das auf den folgenden Prinzipien beruhte:

  • Einheitliche Prinzipien der Organisation und Zentralisierung des Gesundheitssystems
  • Gleicher Zugang zur Gesundheitsversorgung für alle Bürger
  • Vorrangige Aufmerksamkeit für Kindheit und Mutterschaft
  • Einheit von präventiver Gesundheitsversorgung und Behandlung
  • Beseitigung sozialer Krankheitsursachen
  • Einbeziehung der Gesellschaft in die Gesundheitsfürsorge

Das öffentliche Gesundheitsbudget der UdSSR stieg im Vergleich zum Budget des Russischen Reiches von 1913 um das 75-fache. Von Ende des Bürgerkriegs bis 1928 stieg die Zahl der Ärzt*innen von 19.785 auf 63.219,[27] und bis 1955 erreichte sie 334.000 Ärzt*innen (einschließlich Zahnärzt*innen). Die Produktion pharmazeutischer Chemikalien stieg von 1940 bis 1950 um das Fünffache und von 1950 bis 1955 um das 3,1-Fache. Es gab 1955 1.290.000 Krankenhausbetten.[28]

Die Säuglingssterblichkeit sank von 25 % vor der Revolution auf ein Niveau, das 1960 niedriger war als das in Italien oder Österreich,[28] und die Kindersterblichkeit halbierte sich zwischen 1917 und 1928.[27]

1978 erkannte die Weltgesundheitsorganisation die sowjetischen Prinzipien der Gesundheitsversorgung als einige der besten weltweit an.[28] Die Sowjetunion hatte die meisten Ärzt*innen pro Kopf weltweit, 34,6 pro 10.000 Menschen, was mehr als doppelt so viel war wie in Großbritannien und fast doppelt so viel wie in den USA. Medikamente aus Krankenhäusern oder verschrieben bei chronischen Krankheiten (70 % aller Arzneimittel) waren komplett kostenlos.[13]:128–40

Pro Republik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bis 1941 hatte Aserbaidschan 2.500 Ärzt*innen im Vergleich zu nur 291 vor der Revolution. In Tadschikistan stieg die Zahl der Ärzt*innen im gleichen Zeitraum von 13 auf 372.[27]

Lebenserwartung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Russischen Reich betrug die Lebenserwartung nur 30 Jahre.[13]:128–40 Im Jahr 1953 lag die sowjetische Lebenserwartung bei 59,4 Jahren. Bis 1965 war sie auf 68,4 Jahre gestiegen, mehr als doppelt so hoch wie vor der Revolution und 15 Jahre über dem damaligen weltweiten Durchschnitt.[5] Bis 1975 stieg sie auf 70,4 Jahre, etwas niedriger als in Japan oder Westeuropa, aber höher als in Finnland oder Lateinamerika. Die sowjetische Lebenserwartung war 2,5 Jahre länger als die der nicht-weißen Bevölkerung in den USA.[13]:128–40

Infektionskrankheiten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

„Staatsbürger! Lasst euch gegen Cholera impfen. Nur gegen eine Impfung ist der Tod machtlos.“

Während des Russischen Bürgerkriegs kam es zu Ausbrüchen von Cholera, Typhus und Pocken. Die Typhusprävalenz sank zwischen 1919 und 1922 auf weniger als die Hälfte und bis 1927 um das 80-fache. Die Malariapräsenz ging zwischen 1917 und 1930 um mehr als das Dreifache zurück. Eine verpflichtende Pockenimpfung wurde 1919 eingeführt, und die Krankheit war bis 1937 ausgerottet.[28]

Menschenrechte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Artikel 123 der Verfassung von 1936 garantierte nationale Gleichheit und verbot Rassismus.[29] 1977 wurde dies in Artikel 36 verschoben.[30]

Frauenrechte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach der Oktoberrevolution erhielten Frauen durch die Bolschewiki gleiche Rechte in der Ehe. Frauen mussten nicht mehr mit ihren Ehemännern zusammenleben und konnten sich ohne deren Erlaubnis scheiden lassen sowie persönliches Eigentum besitzen. Ehemänner konnten sich ebenfalls ohne Zustimmung der Frau scheiden lassen, außer wenn sie schwanger war oder ein Kind unter einem Jahr hatte.[13]:102–11 Artikel 122 der Verfassung von 1936 und Artikel 35 der Verfassung von 1977 verboten Sexismus und garantierten gleiche Rechte für Frauen.[29][30]

Ehepartner*innen und Ex-Ehepartner*innen waren in den meisten Fällen nicht verpflichtet, sich gegenseitig finanziell zu unterstützen. Allerdings musste ein Ex-Ehemann Unterhalt für seine Kinder zahlen, wenn die Ex-Frau diese betreute: 25 % seines Einkommens für ein Kind, ein Drittel für zwei Kinder und 50 % für drei oder mehr Kinder.[13]:102–11

Frauen durften nicht wegen Schwangerschaft oder der Betreuung kleiner Kinder weniger bezahlt werden. Es war illegal, schwangere Frauen oder solche mit Kindern unter einem Jahr zu entlassen. Sie konnten ab dem Alter von 55 Jahren in Rente gehen, fünf Jahre früher als Männer.[13]:102–11

In der höheren Bildung erwarben Frauen die Mehrheit der Abschlüsse in Wirtschaft, Rechtswissenschaften, Biologie und Chemie. Auch in den Fächern Ingenieurwissenschaften, Mathematik und Physik lag ihr Anteil höher als der von Frauen in den USA.[13]:102–11

Kultur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

„Jugend in die Stadien!“ B. Reshetnikov, 1962

Sport[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Sowjetunion legte großen Wert auf Sport. Sie nahm an den Olympischen Spielen teil und schuf mit den Spartakiaden, benannt nach Spartacus, dem Sklavenrebellen, ein eigenes konkurrierendes Sportereignis.

Gewichtheben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Sowjetunion brachte viele Athlet*innen hervor, die Weltrekorde aufstellten, insbesondere im Gewichtheben, einem sehr beliebten Sport in der UdSSR, der bis heute in sozialistischen Ländern wie China oder der DVRK populär geblieben ist.

Die Sowjets entwickelten ein eigenes Trainingssystem, das heute vor allem von Pavel Tsatsouline bewahrt und übersetzt wurde. Während die meisten Gewichtheber*innen heute ihren Höhepunkt um das Alter von 26 Jahren erreichen und um 35 in den Ruhestand gehen, stellten einige sowjetische Athlet*innen noch weit über 30 Weltrekorde auf. Dies lag daran, dass die sowjetische Methode auf die Langlebigkeit der Sportler*innen ausgerichtet war. Die Athlet*innen wurden von Wissenschaftler*innen begleitet, die ihre Daten analysierten und ein auf ihr Niveau abgestimmtes Trainingsprogramm erstellten.[31]

Der wohl berühmteste sowjetische Gewichtheber war Wassili Alexejew, der innerhalb von acht Jahren 80 Weltrekorde aufstellte. Er zog sich im Alter von 38 Jahren zurück, nachdem er bei den Olympischen Spielen in Moskau aufgrund einer im Jahre 1978 erlittenen Verletzung keinen gültigen Versuch erzielen konnte.[32]

Verweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Демоскоп Weekly. Всесоюзная перепись населения 1989 года. Национальный состав населения по республикам СССР [The 1989 All-Union Population Census. National composition of the population by republics of the USSR].
  2. 2,0 2,1 2,2 2,3 2,4 2,5 2,6 2,7 2,8 CIA World Factbook (1990). Soviet Union – World Factbook (Wikisource)
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  10. “In fact, Stalin had insisted repeatedly and vigorously on this. On January 31st, 1931, he pushes forward the “creation of a new and well-equipped industrial base in the Ural Mountains, Siberia and Kazakhstan.””

    Domenico Losurdo, David Ferreira (2020). Stalin: The History and Critique of a Black Legend: 'How to Cast a God into Hell: The Khrushchev Report; The Quick Unraveling of the Blitzkrieg' (p. 22). [LG]

  11. “Yes, “created two days after the German invasion, the Evacuation Committee managed to move to the East 1,500 major industrial companies, after titanic operations of great logistic complexity.””

    Domenico Losurdo, David Ferreira (2020). Stalin: The History and Critique of a Black Legend: 'How to Cast a God into Hell: The Khrushchev Report; The Quick Unraveling of the Blitzkrieg' (p. 22). [LG]

  12. “November 29th, 1941:
    How is it possible that such a primitive people can reach such technical objectives in such a short period of time?August 26th, 1942:
    With respect to Russia, it is incontestable that Stalin raised the standard of living. The
    Russian people don’t go hungry [at the moment when Operation Barbarossa was launched]. In general, it’s necessary to recognize that they have built factories of similar importance to Hermann Goering Reichswerke where two years ago nothing but unknown villages existed. We come across railway lines that aren’t on the maps.”

    Domenico Losurdo, David Ferreira (2020). Stalin: The History and Critique of a Black Legend: 'How to Cast a God into Hell: The Khrushchev Report; The Quick Unraveling of the Blitzkrieg' (p. 23). [LG]

  13. 13,00 13,01 13,02 13,03 13,04 13,05 13,06 13,07 13,08 13,09 13,10 13,11 13,12 13,13 13,14 13,15 13,16 13,17 13,18 13,19 Albert Szymanski (1984). Human Rights in the Soviet Union. [PDF] London: Zed Books Ltd. ISBN 0862320186 [LG]
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Notizen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Daten von 1970 anstatt von 1979.